Kosmetische Mittel sind Stoffe oder Gemische zur äusserlichen Anwendung am menschlichen Körper. Die Vielfalt an Produkten mit überraschenden Claims ist gross. Eine kritische Prüfung ist angezeigt.

Im Bereich Mikrobiom und Kosmetik gab es in den letzten Jahren folgende Entwicklung zu beobachten. Das Human Microbiome Project war eine Initiative des US-amerikanischen Forschungscenters National Institutes of Health mit dem Ziel der Identifizierung und Charakterisierung des menschlichen Mikrobioms, also der den Menschen besiedelnden Mikroorganismen (z.B. Darm-, Hautflora) [1]. Dieses Projekt hat in der Fach- und Laienpresse sehr grosse Beachtung gefunden und die Wahrnehmung des modernen Konsumenten betreffend Mikroorganismen nachhaltig verändert.

Den meisten Konsumenten von heute ist klar, dass die mikrobielle Besiedelung des Darms, aber auch der Haut wesentlich für unsere Gesundheit ist. Einseitige Ernährung (Fette, Kohlenhydrate) kann das Mikrobiom des Darms verändern und zu diversen Störungen führen [2]. Die Lebensmittelindustrie bietet unzählige Produkte an, die dem Mikrobiom des Darms förderlich sein sollen. Auch die Kosmetikindustrie nutzt diesen Trend. Die Marke Gallinée wirbt beispielsweise mit ihrem patentierten Triple Biotic Complex, bestehend aus deaktivierten Probiotika, Präbiotika und Milchsäure, die die «guten» Bakterien auf der Haut «ernähren» und fördern sollen. Dieser Trend ist vielversprechend, denn die Konsumenten nehmen Probiotika oder Präbiotika als sichere, natürliche, dem Wohlbefinden förderliche Zutaten wahr. Vor dem Hintergrund der globalen Überalterung ist auch die Gesunderhaltung des Hautmikrobioms des älteren Menschen ein attraktives Ziel für die Industrie. Zahlreiche Patente zeigen dies eindrücklich (z.B. US Patent Application 20170119827, May 4, 2017: Method and system to improve skin microbiome health).

Die Bedeutung des Mikrobioms wird auch im Zusammenhang mit Akne [3], atopischer Dermatitis [4] oder empfindlicher Haut [5] diskutiert. Mit grosser Spannung wird im dritten Quartal dieses Jahres der Ausgang der AOBIOME-Studie (Phase IIB) erwartet, bei der aktive Probiotika zur topischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Akne eingesetzt werden [6]. Esse Skincare (Europa) und Mother Dirt (USA) sind zwei Marken, die Probiotika im Hautpflegesegment propagieren. Die Anpreisung von Kosmetika, die Probiotika oder Präbiotika enthalten, ist aus regulatorischer Sicht herausfordernd. Die Anpreisung auf der Verpackung (Primär- und Sekundärbehältnis) ist in der Regel neutral gehalten, ohne eine Erkrankung zu nennen. Begleitendes Informationsmaterial spricht aber gelegentlich davon, z.B. «bei zur Akne neigender Haut» – manchmal auch ohne Vor­liegen klinischer Daten.

Noch wenig Beachtung hat die Frage gefunden, ob und wie die regelmässige Anwendung von Hautpflegemitteln (die fast alle auch Konservierungsmittel enthalten) beim Baby oder beim Erwachsenen das noch «junge» oder schon «reife» Mikrobiom beeinflusst. In den neusten Arbeiten über Hautpflegeprodukte hat die Untersuchung des Produkteinflusses auf das Mikrobiom erfreulicherweise Eingang gefunden [7]. Ob die durchgeführten Untersuchungen (z.B. Anwendungsdauer) den Einfluss richtig abbilden, scheint aber noch unklar.

Umweltverschmutzung – Konzepte in der ­Kosmetik

Mehr als 80% der Menschen, die in urbaner Umgebung mit Luftverschmutzung wohnen, sind Schadstoffwerten ausgesetzt, die die Grenzwerte der WHO überschreiten [8]. Länder wie China, Japan, Südkorea, Indonesien oder die Philippinen sind besonders stark betroffen. Die Luftverschmutzung ausserhalb wie auch innerhalb von Gebäuden wird inzwischen als die grösste umweltbedingte Gesundheitsgefahr betrachtet. Schlaganfälle und Erkrankungen der Herzkranzgefässe, chronische Lungenerkrankungen oder bestimmte Tumoren werden mit dieser Verschmutzung assoziiert. In der dermatologischen Fachliteratur wird der Zusammenhang zwischen Umwelt und Hautveränderungen ebenfalls rege diskutiert.

Aus dem Exposom [9], das die Gesamtheit aller nicht-genetischen, endogenen wie exogenen Umwelteinflüsse darstellt, denen ein Individuum lebenslang ausgesetzt ist, werden vor allem Faktoren diskutiert, die die Hautalterung oder häufige dermatologische Erkrankungen betreffen. Die Faktoren sind Sonnenstrahlung, Luftverschmutzung, Temperatur, Ernährung, Stress, Schlafmangel und Tabakkonsum [10]. Es wurde unterdessen mehrfach gezeigt, dass eine signifikante Assoziation zwischen der Exposition gegenüber verkehrsabhängigen Schwebstaubpartikeln bzw. einer Exposition gegenüber Russpartikeln und dem Auftreten von Hautalterungszeichen besteht. Die stärksten Assoziationen ergaben sich für das Risiko, Pigmentflecken (Lentigines) im Gesicht zu entwickeln. Schwächer ausgeprägt war die Assoziation mit einer erhöhten Hautfaltenbildung [11]. Es wurde auch beschrieben, dass die Luftverschmutzung den Krankheitsverlauf von Akne oder atopischer Dermatitis beeinflussen kann [12,13].

Die seit knapp 20 Jahren steigende Zahl an wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema «Umwelt und Haut» sowie die grossen Märkte in Asien mit einer rasch steigenden Zahl an kaufkräftigen Kunden haben dazu geführt, dass die Kosmetikindustrie eine Vielzahl von Antiumweltverschmutzungskonzepten entwickelt hat. Diese umfassen eine spezifische Hautreinigung («in polluted cities, it may take two washes to cleanse the skin»), die Ernährung (!), das Stärken, Schützen oder gar das Reparieren der Haut. Hier kommen die bereits bekannten Vitamine oder Antioxidanzien, aber auch sog. innovative kosmetische Wirkstoffe zum Einsatz, z.B. EOSIDINTM («the immuno-modulator for indoor pollution control») oder E/Z-2-benzylidene-5,6-dimethoxy-3,3-dimethyl-indan-1-one (BDDI, «aryl hydrocarbon receptor antagonist») [14]. Auch werden spezielle Film-bildende Ingredienzien (z.B. SkinBlitz von CHEMYUNION) angeboten, die in flüssigen und halbfesten Formaten die Haut, aber auch die aufgetragene Kosmetik gegen Umwelteinflüsse versiegeln sollen. Die Wirkung einiger kosmetischer Wirkstoffe, die sowohl pharmakologischer wie auch immunologischer Art sein kann, ist in der wissenschaftlichen Literatur gelegentlich in vitro wie auch in vivo gut belegt. Hier könnte man versucht sein, Produkte mit solchen Wirkstoffen in die Nähe von Arzneimitteln zu bringen (Prävention). Hinsichtlich der Abgrenzung zu Produktgruppen wie Arzneimitteln, Biozidprodukten oder Lebensmitteln ist in erster Linie entscheidend, worin aus Sicht der Verbraucher die überwiegende Zweckbestimmung des jeweiligen Produkts besteht (reinigen, schützen, in gutem Zustand halten). Zur Abgrenzung kosmetischer Mittel von Arzneimitteln hat die Europäische Kommission eine umfassende Dokumentation auf ihrer Website veröffentlicht [15,16]. Dieser Kriterienkatalog wurde basierend auf der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelt. Es versteht sich von selbst, dass die Promotion von Antiumweltverschmutzungskosmetik die Sicht des Verbrauchers semantisch entsprechend bedient.

HEV-Licht – Sollten wir uns davor schützen?

HEV steht für «high energy visible», d.h. hochenergetisches sichtbares Licht (400–500 nm). Es wird auch häufig als «Blaues Licht», «Ultrablau-Licht» oder auch als «Bildschirm-Licht» bezeichnet. HEV liegt im Lichtspektrum direkt neben der bekannten UV-A-Strahlung und leuchtet blau bis lila. Während die Auswirkungen von UV-Strahlung breit untersucht und bekannt sind, wurden die Effekte von HEV-Licht in diesem Kontext erst in jüngerer Zeit näher beleuchtet. Im Internet finden sich auch schon erste Schreckensmeldungen: «Is your iPhone ruining your skin?» (den dazugehörigen Blue Light Protector fürs iPhone gibt es schon bei Amazon) oder «Müssen wir uns jetzt vor dem Fernseher eincremen?». Im asiatischen Raum sind die ersten Kosmetikprodukte auf dem Markt, die explizit einen «blue light block» anbieten (Attenir Hidan). Den meisten ist Blaulicht eher im Zusammenhang mit der Akne-Therapie bekannt [17]. Welche Hinweise liegen vor, die einen Schutz vor Blaulicht als sinnvoll erscheinen lassen?

Rein theoretisch ist es denkbar, dass HEV-Licht vergleichbare Hautschäden wie die UV-A-Strahlung – besonders im UV-A-nahen Bereich (300–400 nm) – verursacht (Lichtalterung, DNA-Schädigung, etc.) [18]. Nakashima und Mitarbeiter zeigen in einem Maus-Modell, mit dem reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS) am lebendigen Tier sichtbar gemacht werden können, dass mit blauem, nicht aber mit grünem, rotem und infrarotem Licht mitochondrial oxidativer Stress erzeugt werden kann. Die Forscher zeigen auch, dass das Blaulicht der Sonne die Flavin-Autofluoreszenz in der Haut erniedrigt. Sie schliessen daraus, dass Blaulicht einen hautphysiologischen Effekt hat [19]. Mamalis und Mitarbeiter zeigen in vitro, dass Blaulicht von LED-Lampen die Migrationsgeschwindigkeit von Fibroblasten reduziert. Durch eine Vorbehandlung der Fibroblasten mit dem Antioxidans Resveratrol konnte dieser Effekt verhindert werden. Die Autoren schliessen daraus, dass die Antioxidanzien die durch das Blaulicht erzeugten reaktiven Sauer­stoff-Spezies neutralisiert haben [20]. Bei acht Probanden, die an fünf aufeinanderfolgenden Tagen am Gesäss mit Blaulicht gestrahlt wurden, konnten Kleinpenning und Mitarbeiter keine Zeichen von Hautalterung und Hautschädigung nachweisen (p53-, MMP-1-Expression, Elastosis). Sie vermerken allerdings eine vorübergehende minimale Pigmentierung [21].

Die drei Arbeiten sind sehr gut dokumentiert. Allerdings diskutiert keiner der Autoren die in den Experimenten eingesetzten Blaulichtdosen im Vergleich zu den Dosen, die wir im Alltag – d.h. vor dem Fernseher oder Computer – abbekommen. Weitere Arbeiten werden hoffentlich bald diese Frage beantworten und die klinische Relevanz beurteilen. Die Industrie stellt bereits erste Filter zur Verfügung und «innovative Blaulicht-Produkte» werden sicher auch bald hier in Europa lanciert.

Sommerhit 2017 – Sonnenschutzprodukte «all in one»

Mit diesem überraschenden Slogan kündigt ein Kosmetikanbieter einen innovativen Sonnenschutzspray an. Ein SPF von 20 wird erreicht, wenn man das Produkt während zehn Sekunden auf die Haut aufsprayt. Wird ein höherer Schutzfaktor gewünscht (SPF 30), kann man drei Minuten nach der ersten Applikation während zehn Sekunden eine weitere Schicht aufsprayen. Für einen SPF 50+ kann nach weiteren drei Minuten eine dritte Schicht aufgetragen werden. Diese Anpreisung scheint sehr praktisch und einfach. Man ist fast versucht zu fragen, wieso das erst heute kommt und ob das auch wirklich stimmt.

Die Anpreisung ist rein theoretisch richtig. Wie uns aus dem Alltag bekannt ist, wird beim Streichen einer Wand die Deckkraft einer Farbe durch einen zweiten oder gar dritten Anstrich erhöht. Durch die Erhöhung der Sonnenschutzfiltermoleküle auf der Haut werden chemisch-physikalischer Gesetzgebung folgend mehr Photonen «eingefangen», neutralisiert und damit die Schutzleistung erhöht. Die Anwendung von Sonnenschutzsprays weist aber auch einige Tücken auf. In der Praxis erscheint Sprayen über zehn Sekunden lange und wird deshalb auch selten eingehalten. Bei der Anwendung von Sprays verfehlt ein nicht unerheblicher Teil der Spray-Tröpfchen die Haut.

Auch wenn die praktische Umsetzung einige Tücken aufweist, zeigt diese empfohlene Anwendung, dass nur eine ausreichende Menge an Sonnenschutzfiltermolekülen die deklarierte Sonnenschutzleistung des Produkts garantiert. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten Anwender von Sonnenschutzprodukten z.T. weniger als die Hälfte der notwendigen Sonnenschutzproduktmenge auftragen, die notwendig ist, um den deklarierten Wert zu erreichen (2 mg/cm2) [22]. Aus praktischen Gründen sollte deshalb das zweimalige Eincremen – vor allem auf den «Sonnenterrassen» – empfohlen werden.

Take-Home-Messages

  • Kosmetische Mittel sind definiert als Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äusserlich am Körper des Menschen angewendet zu werden.
  • Ihre ausschliessliche oder überwiegende Aufgabe ist es, Haut, Haare, Nägel, Lippen, die äusseren Intimregionen oder die Zähne und Mundschleimhäute zu reinigen, zu schützen, in gutem Zustand zu erhalten, zu parfümieren, deren Aussehen zu verändern oder den Körpergeruch zu beeinflussen.
  • Die scheinbar klare Definition lässt dennoch viel Spielraum für Produkte mit überraschenden Claims.

Literatur:

  1. Human Microbiome Project Consortium: Structure, function and diversity of the healthy human microbiome. ­Nature 2012; 486(7402): 207–214.
  2. Myles IA: Fast food fever: reviewing the impacts of the ­Western diet on immunity. Nutr J 2014; 13: 61.
  3. Barnard E, et al.: The balance of metagenomic elements shapes the skin microbiome in acne and health. Sci Rep 2016; 6: 39491.
  4. Wollina U: Microbiome in atopic dermatitis. Clin Cosmet Investig Dermatol 2017; 10: 51–56.
  5. Guéniche A, et al.: Bifidobacterium longum lysate, a new ingredient for reactive skin. Exp Dermatol 2010; 19(8): e1–8.
  6. AOBIOME. http://aobiome.com
  7. Stettler H, et al.: A new topical panthenol-containing ­emollient: Results from two randomized controlled studies assessing its skin moisturization and barrier restoration potential, and the effect on skin microflora. J Dermatolog Treat 2017; 28(2): 173–180.
  8. WHO: WHO Global Urban Ambient Air Pollution Database (update 2016). http://www.who.int/phe/health_topics/outdoorair/databases/cities/en.
  9. Wild CP: The exposome: from concept to utility. Int J Epidemiol 2012; 41(1): 24–32.
  10. Krutmann J, et al.: The skin aging exposome. J Dermatol Sci 2017; 85(3): 152–161.
  11. Vierkötter A, et al.: Airborne particle exposure and extrinsic skin aging. J Invest Dermatol 2010; 130(12): 2719–2726.
  12. Krutmann J, et al.: Pollution and acne: is there a link? Clin Cosmet Investig Dermatol 2017; 10: 199–204.
  13. Kim YM, et al.: Short-term effects of weather and air pollution on atopic dermatitis symptoms in children: A panel study in Korea. PLoS One 2017; 12(4): e0175229.
  14. Tigges J, et al.: The new aryl hydrocarbon receptor antagonist E/Z-2-benzylindene-5,6-dimethoxy-3,3-dimethylindan-1-one protects against UVB-induced signal transduction. J Invest Dermatol 2014; 134(2): 556–559.
  15. Europäische Kommission. http://ec.europa.eu/consumers/sectors/cosmetics/files/doc/guidance_doc_c…
  16. Europäische Kommission. http://ec.europa.eu/growth/sectors/cosmetics/products/borderline-product…
  17. Barbaric J, et al.: Light therapies for acne: abridged Cochrane systematic review including GRADE assessments. Br J Dermatol 2017; doi: 10.1111/bjd.15495 [Epub ahead of Print].
  18. Edström DW, et al.: Effects on human skin of repetitive ultraviolet-A1 (UVA1) irradiation and visible light. Photodermatol Photoimmunol Photomed 2001; 17(2): 66–70.
  19. Nakashima Y, et al.: Blue light-induced oxidative stress in live skin. Free Radic Biol Med 2017; 108: 300–310.
  20. Mamalis A, et al.: Resveratrol Prevents Reactive Oxygen Species-Induced Effects of Light-Emitting Diode-Generated Blue Light in Human Skin Fibroblasts. Dermatol Surg 2016; 42(6): 727–732.
  21. Kleinpenning MM, et al.: Clinical and histological effects of blue light on normal skin. Photodermatol Photoimmunol Photomed 2010; 26(1): 16–21.
  22. Bimczok R, et al.: Influence of applied quantity of sunscreen products on the sun protection factor – a multi­center study organized by the DGK Task Force Sun Protection. Skin Pharmacol Physiol 2007; 20(1): 57–64.

DERMATOLOGIE PRAXIS 2017; 27(4): 20–23

Prof. Dr. phil. nat. Christian Surber

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