Je schlechter der Blutzucker um den Zeitpunkt der Konzeption, desto grösser ist das Risiko für Fehlbildungen beim Kind. Tierversuche weisen darauf hin, dass man durch eine Supplementierung mit Vitaminen und anderen Nährstoffen kongenitale Malformationen bei Kindern diabetischer Mütter verhindern kann, es mangelt jedoch an guten Studien beim Menschen. Auf dem DIP-Symposium (The 7th international Sympo­sium on Diabetes, Hypertension, Metabolic Syndrome and Pregnancy) in Florenz stellte Dr. med. Moshe Zloczower, Haifa, Israel, die wichtigsten vor.

Populationsstudien zeigen, dass das Risiko für kardiovaskuläre Malformationen bei Kindern diabetischer Mütter fünfmal so hoch ist wie bei der Normalbevölkerung. Gleichzeitig ist das Risiko für Neuralrohrdefekte und Anomalien in den Harnwegen mehr als doppelt so hoch [1–6]. Zudem erhöhen kongenitale Malformationen das Risiko für Todgeburten und die perinatale Mortalität. Derartige Fehlbildungen sind für fast 50% aller Todesfälle von Kindern diabetischer Mütter verantwortlich [7, 8].

Je höher der HbA1c-Wert zur Zeit der Konzeption, desto grösser ist das Risiko für Malformationen beim Kind: Ist der HbA1c geringer als 8,5%, treten in 3,4% der Fälle Komplikationen auf, bei höheren HbA1c-Werten steigt das Risiko für Malformationen auf bis zu 22,4% (Abb. 1) [9].

Eine schlechte Kontrolle des Blutzuckers erhöht das Risiko für Malformationen um über 25%, verbesserte Glukosewerte können dieses jedoch deutlich reduzieren (Abb. 2) [10]. «Auch wenn die HbA1c-Werte normal sind, kommt es immer wieder zu kürzeren Phasen von Hyperglykämien», erklärte Dr. med. Moshe Zloczower, Haifa, Israel, «Selbst diese kurzen Perioden können dem Embryo schon schaden.» Die Hyperglykämie wirkt sich vor allem während der Organogenese aus, die in den ersten 42 Tagen der Schwangerschaft stattfindet. Hirn und Herz entwickeln sich z. B. ab der dritten Woche. «Wenn wir erst dann mit einer Supplementierung starten, ist das zu spät. Um etwa Malformationen am Zentralnervensystem zu verhindern, müssen wir schon vor der Konzeption mit der Supplementierung beginnen», so Dr. Zloczower.

Mehrere pathophysiologische Mechanismen würden zu der Entstehung der Malformationen beitragen, erklärte Dr. Zloc­zo­wer. Zum einen ist der Lipid-Stoffwechsel in den Zellen gestört. Das schädigt die Struktur in den Zellen, freie Sauerstoff-Radikale werden freigesetzt und der oxidative Stress auf das Gewebe wird erhöht. Zum anderen gibt es weniger endogene Antioxidanzien. Ausserdem spielen proangiogene Effekte eine weitere Rolle.

Die molekularbiologischen Mechanismen für die teratogenen Effekte sind noch nicht vollständig geklärt. Eine entscheidende Rolle scheinen Veränderungen der Genexpression im Embryo und im Dottersack zu spielen: in den Signalwegen des Wnt-Gens [11, 12], der Protein Kinase C [13], in Pax3 [14] und p53 [14], sowie Antworten des Körpers auf Hypoxie und oxidativen Stress [16–19].

Gute Evidenz, dass man mit Nahrungsergänzungsmitteln das Risiko für Geburtsdefekte senken kann, habe man aus Tierversuchen, sagte Dr. Zloczower. So reduzierte eine Supp­lementierung von schwangeren Tieren mit Vitamin C und E [19–22], Liponsäure [23], Arachidonsäure [24, 25], Myo-Inositol [26] oder Folsäure [27–29] das Risiko für kongenitale Anomalien. Forscher aus Singapur zeigten kürzlich, dass eine Supplementierung mit Zink bei Nachkommen von diabetischen Mäusen kongenitale Herzdefekte verhinderte [30].

Oxidativer Stress, verursacht durch mütterlichen Diabetes, könnte bei der Entwicklung einer kardialen Embryopathie eine Rolle spielen, vermuten die Wissenschafter. Weiter könnte eine Zink-Supp­lementierung eine potenzielle Therapie von kardialer Embryopathie sein.

Daten über schwangere Frauen vor allem aus retrospektiven Analysen

Studien bei schwangeren Frauen gebe es bisher nur wenige von guter Qualität, berichtete Dr. Zloczower. Wissenschafter vom National Center on Birth Defects and Developmental Disabilities bei den Centers for Disease Control and Prevention in den USA analysierten im Jahre 2003 retrospektiv die Daten von 3278 Kindern mit Geburtsdefekten, die mit Diabetes assoziiert werden, und verglichen sie mit 3029 Kindern ohne kongenitale Anomalien. Babys von Müttern mit Diabetes hatten ein höheres Risiko für Geburtsdefekte, wenn diese keine Multivitaminpräparate während der Konzeption einnahmen. Bei Einnahme von Vitaminen war das Risiko dagegen nicht erhöht [31]. Diese und andere retrospektive Analysen würden jedoch keine Aussage über einen wirklichen kausalen Zusammenhang zulassen, so die Einschätzung von Dr. Zloczower.

Forscher von der National Birth Defects Prevention Study in Stanford analysierten den Einfluss der mütterlichen Ernährung auf Geburtsdefekte ebenfalls retrospektiv. Mütter von 3824 Kindern mit Geburtsdefekten und 6807 Kontrollen wurden mit einem standardisierten Ernährungsbogen befragt. Eine gesündere Ernährung, gemessen mit dem Mediterra­nean Diet Score (MDS), war assoziiert mit einem geringeren Risiko für Neuralrohrdefekte und Gaumenspalten [32]. Eine weitere Option zur Prävention embryonaler Fehlbildungen könnte Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG) sein, besser bekannt als Grüner Tee. Bei Ratten verhinderte EGCG eine durch Hyperglykämie induzierte Embryopathie [33].

Literaturliste beim Verlag

Quelle: DIP 2013. The 7th international Symposium on Diabetes, Hypertension, Metabolic Syndrom and Pregnancy. 13.–16. März 2013.

Dr. med. Felicitas Witte

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