Ein Cranberry-Präparat als Zusatzbehandlung einer Zystitis: Dies wird in Arztpraxen und Apotheken oft empfohlen. Aber nur wenige Fachleute wissen, dass in Europa die meisten dieser Präparate keine Cranberries enthalten sondern Preiselbeeren, und dass Cranberry nicht das englische Wort für Preiselbeere ist.

Beide Arzneipflanzen gehören zur Gattung Vaccinium (Heidelbeeren) der Familie Heidekrautgewächse (Ericaceae), zu der auch die Heidelbeere gehört. Die europäische Moosbeere ist weniger gebräuchlich, da sie wissenschaftlich schlechter untersucht ist. Cranberry und Preiselbeere können gut anhand ihrer Grösse unterschieden werden. Cranberrys verfügen etwa über die Grösse von Trauben, während Preiselbeeren ähnlich gross wie Erbsen sind (Tab. 1).

Was steckt drin?

In beiden Spezies der Gattung Vaccinium findet man vor allem in den Beeren die höchste Konzentration an sehr ähnlichen Inhaltsstoffen. In erster Linie sind Proanthocyanidine vom A-Typ zu nennen, die zu den Flavonoiden gehören. Proanthocyanidine Typ A stellen eine Mischung von Oligomeren dar, die überwiegend aus Epikatechin-Einheiten (Isomere des Katechins) bestehen. Ausserdem finden sich in beiden Arzneipflanzen Anthocyane und organische Säuren wie Benzoesäure und Ascorbinsäure, Vitamine, Gerbstoffe und Mineralstoffe.

Wirkung und Anwendung

Aufgrund der weitgehend identischen Inhaltsstoffe sind auch die Anwendungen und Wirkungen vergleichbar. Zubereitungen aus den Früchten werden zur Vorbeugung und Behandlung wiederkehrender Harnwegsinfektionen eingesetzt. Die beiden Arzneipflanzen besitzen antiadhäsive, antimikrobielle, entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften. Dafür sind vor allem die Proanthocyanidine vom A-Typ verantwortlich. Sie hemmen die Anheftung der Bakterien an die Zellen der Harnblase. Klinische Studien mit Cranberries zeigten eine Wirksamkeit bei 30–300 ml reinem Saft pro Tag.

Studien

Die tägliche Einnahme von 50 ml eines finnischen Kombinationspräparates (Cranberry + Preiselbeere) führte in einer Studie gegenüber Lactobacillus-Zubereitungen bzw. Placebo nach sechs Monaten zu einer Verminderung von Harnwegsinfekt-Rezidiven um rund 20%. Nach zwölf Monaten wurde kein Unterschied mehr festgestellt [1]. Eine weitere klinische Studie zeigte, dass Cranberry-Präparate zur Prävention von Harnwegsinfekten sowohl bei gesunden Kindern wie auch bei Kindern mit vorliegenden urogenitalen Anomalien ebenso wirksam sind wie Antibiotika [2]. Auch die renommierte Cochrane Collaboration hat sich mit der Wirksamkeit von Cranberry befasst. In einem Report vermerkt sie, «dass Cranberry-Saft bei Frauen mit rezidivieren HWI in einer 12-monatigen Überwachungsphase die Häufigkeit von Rezidiven zu vermindern scheint». Trotzdem hält wird in der Gesamtbeurteilung festgehalten, dass Cranberry-Saft nicht zur Verminderung von HWI empfohlen werden kann [3]. In einer Metaanalyse wird hingegen erklärt, dass die Wirksamkeit von Cranberry-Saft zur Prophylaxe von HWI gegeben sei [4]. Über die Wirksamkeit von Preiselbeeren konnten keine klinischen Studien gefunden werden, es gibt nur einige pharmakologische Untersuchungen.

Zusammenfassung

Preiselbeeren und Cranberrys sind botanisch eng verwandt und weisen ein nahezu identisches Spektrum von Inhaltsstoffen auf, die beiden Arzneipflanzen eine Wirksamkeit zur Behandlung und Prävention von HWI bzw. zur Prävention von Rezidiven verleihen. In dieser Beziehung können beide Präparate eingesetzt werden. Eigentliche klinische Studien liegen aber nur für Cranberries vor, bei denen es auch Negativstudien gibt. Das Problem liegt wahrscheinlich darin, dass für die (amerikanischen) Studien schlicht «cranberry­juice» verwendet wurde, das entsprechende Präparat somit quantitativ nicht normiert war.

Präparate in der Schweiz
Es gibt verschiedene Preiselbeer- und einige Cranberry-Präparate in der Schweiz. Sie sind jedoch nicht als Medikamente zuge­lassen, sondern als Nahrungsergänzungsmittel regis­triert. Daher sind sie auf der Negativliste, d.h. sie dürfen von den Krankenkassen nicht erstattet werden.

Literatur:

  1. Kontiokari T, et al.: BMJ 2001; 322: 1571.
  2. Durham SA, et al.: Ann Pharmacother 2015; 49(12): 1349–1356.
  3. Jepson RG, et al.: Cranberries for preventing urinary tract infections. Cochrane Database Syst Rev 2012; 10: CD001321.
  4. Micali S, et al.: Cranberry and recurrent cystitis: more than marketing? Crit Rev Food Sci Nutr 2014; 54(8): 1063–1075.

HAUSARZT PRAXIS

Dr. pharm. Christoph Bachmann

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