Chronische Prurigo ist durch einen «Juck-Kratz-Zyklus» gekennzeichnet und geht häufig mit einem hohen Leidensdruck einher. Das «International Forum for the Study of Itch» (IFSI) schlägt einen stufenadaptierten multimodalen Therapieansatz vor, wobei sich das Spektrum der empfohlenen Behandlungsmöglichkeiten unlängst erweitert hat.

Chronischer Pruritus kann in jedem Lebensalter auftreten und unterschiedliche Patientengruppen betreffen [1]. Ein gemeinsames Charakteristikum besteht darin, dass juckreizgeplagte Patienten durch prolongiertes oder intensives Kratzen zu einer Aufrechterhaltung oder Verstärkung von Entzündungsvorgängen beitragen, die wiederum Pruritus fördern. Periphere und zentrale Sensibilisierungen auf den chronischen Juckreiz unterhalten diesen Circulus vitiosus, so Prof. Dr. med. Martin Metz, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Charité Universitätsmedizin Berlin (D) [2]. Die Diagnose einer chronischen Prurigo kann gestellt werden, wenn Juckreiz über mindestens 6 Wochen andauert, es Anzeichen von wiederholtem Kratzen gibt (z.B. Exkoriationen und Narben) und multiple lokalisierte oder generalisierte pruriginöse Läsionen vorliegen [3]. «Die chronische Prurigo ist eine eigenständige Erkrankung», betonte der Referent [2]. Dies werde durch eine breite Evidenzbasis untermauert. Am häufigsten anzutreffen ist die chronisch noduläre Prurigo (Prurigo nodularis), wobei die wenige Millimeter bis einige Zentimeter grossen Knoten meistens an den Extremitäten aufreten [1]. Die Beschwerden können in Schlafstörungen, Depressionen und Angstzuständen resultieren [1]. 

Juck-Kratz-Zyklus durchbrechen – IFSI-Guidelines bieten Orientierung 

Zur Einschätzung des Schweregrades und der Ausdehnung der chronischen Prurigo kann der Prurigo Activity and Severity Score (PAS) eingesetzt werden. Anhand dieses ärztlichen Erhebungsbogens erfolgt die Beurteilung der Ausbreitung, Schwere, Zahl, Aktivität und Abheilung der Läsionen [5]. Weitere Messinstrumente, die eingesetzt werden können sind beispielsweise der Prurigo-Aktivitäts-Score oder der Prurigo-Kontroll-Test, sowie Fragebogen zur Beurteilung der Lebensqualität [2]. Das primäre Behandlungsziel ist das Unterbrechen des Juck-Kratz-Zyklus, sodass die Kratzspuren heilen können, was wiederum den Juckreiz weiter vermindert, bis schliesslich der Juckreiz und die Knoten der Prurigo nodularis komplett verschwinden. Im aktuellen Behandlungsleitfaden des International Forum for the Study of Itch (IFSI) wird empfohlen, einen multimodalen Ansatz zu verfolgen, der allgemeine Strategien zur Kontrolle des Juckreizes, die Behandlung von potenziell juckreizauslösenden Begleiterkrankungen und die Therapie juckreizauslösender Läsionen umfasst (Abb. 1). Topische und systemische juckreizstillende Mittel sollten stufenadaptiert eingesetzt werden. Die ­Dauer der einzelnen Behandlungsschritte hängt von der Ausdehnung der chronischen Prurigo, der Schwere des Juckreizes, früheren Behandlungen und der psychischen Belastung des Patienten ab. 

Häufig ist systemische Behandlung erforderlich 

«Wir müssen bei fast allen Patienten mit Prurigo eine Systemtherapie machen», berichtete Prof. Metz und ergänzt: «Gabapentin und SSRI sind die Medikamente, die wir am meisten einsetzen» [2]. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder das Antikonvulsivum Gabapentin wirken bei einigen Prurigo-Patienten symptomlindernd, aber längst nicht bei allen. «Leider kriegen wir auch damit viele Patienten nicht unter Kontrolle», konstatierte der Referent. Doch es gibt Hoffnung: die IFSI-Guidelines schlagen für schwere Fälle in Stufe 4 die Biologika Dupilumab und Nemolizumab als Therapieoption vor. Die Erkenntnis, dass die ­Zyto­kine IL-4, IL-13 und IL-31 eine pathophysiologisch wichtige Rolle spielen, hat inzwischen also Früchte getragen: Sowohl Dupilumab (anti-IL4/13-Rezeptor-Antikörper) als auch Nemolizumab (anti-IL-31-Rezeptor-Antikörper) zeigten in klinischen Studien sehr vielversprechende Resultate. Unter Dupilumab erreichten in der PRIME-2-Studie 37,2% der Patienten in Woche 12 eine klinisch bedeutsame Verringerung des Juckreizes seit Baseline, im Vergleich zu 22,0% in der Placebogruppe (p=0,0216) [8–10]. In Woche 24 lagen die entsprechenden Werte bei 57,7% bzw. 19,5% (p<0,0001), damit erzielten fast dreimal soviele Studienteilnehmer in der Verumbedingung eine klinisch bedeutsame Juckreizreduk­tion nach diesem Zeitraum [8–10]. Eine erscheinungsfreie oder fast erscheinungsfreie Haut in Woche 24 erreichten 44,9% der mit Dupilumab behandelten Patienten gegenüber 16% unter Placebo (p<0,0001).

In den USA hat Dupilumab bereits eine FDA-Zulassung für das Indikationsgebiet Prurigo nodularis erhalten [7]. In Europa beschränkt sich die offizielle Zulassung zurzeit auf andere Indikationsgebiete. Aber gemäss der aktuellen europäischen Leitlinie kann bei chronisch nodulärer Prurigo ein off-label use von Dupilumab erwogen werden [1]. Nemolizumab ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz bislang noch nicht auf dem Markt. Aber es gibt für den Indikationsbereich chronische Prurigo positive Phase-II-Daten und die Phase-III-Daten werden in Kürze erwartet. In der Phase-II-Studie führte Nemolizumab bei Patienten mit moderat bis schwer ausgeprägter Prurigo nodularis in Woche 4 im Vergleich zu Baseline zur einer Verringerung des Juckreizes um 4,5 Punkte (–53,0%), gegenüber 1,7 Punkte (–20,2%) unter Placebo (p<0,001) [4]. 

Kongress: Schweizerische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV)
 

Literatur: 

  1. Ständer S, et al.: S2k Leitlinie: Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus. J Dtsch Dermatol Ges 2022; 20(10): 1386–1402. 
  2. «Never ending itch – addressing clinical challenges in Prurigo nodularis», Prof. Dr. med. Martin Metz, SGDV Jahresversammlung 9.–11.11.2022.
  3. Pereira MP, et al.: EADV Task Force Pruritus group members. European academy of dermatology and venereology European prurigo project: expert consensus on the definition, classification and terminology of chronic prurigo. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32(7): 1059–1065.
  4. Ständer S, et al.: Trial of Nemolizumab in Moderate-to-Severe Prurigo Nodularis. N Engl J Med 2020; 382(8): 706–716. 
  5. Pölking J, et al.: Journal of the European Academy of Dermatology and Venereology 2018; 32(10): 1754–1760. 
  6. Ständer S, et al.: IFSI-guideline on chronic prurigo including prurigo nodularis. Itch 5(4):p e42, October-December 2020.
    DOI: 10.1097/itx.0000000000000042
  7. «FDA approves first treatment for prurigo nodularis», www.fda.gov/drugs/news-events-human-drugs/fda-approves-first-treatment-prurigo-nodularis, (letzter Abruf, 30.01.2023) 
  8. Lönndahl L, et al.: Dupilumab significantly reduces symptoms of Prurigo nodularis and depression: a case series. Acta Derm Venereol 2022; 102: adv00754XX.
  9. «Study of dupilumab for the treatment of patients with prurigo nodularis, inadequately controlled on topical prescription therapies or when those therapies are not advisable (PRIME2)». https://ClinicalTrials.gov/show/NCT04202679, (letzter Abruf 30.01.2023) 
  10. «Dupixent® (dupilumab) is the first biologic to signif­icant­ly reduce itch and skin lesions in Phase 3 trial for prurigo nodularis, demonstrating the role of type 2 inflammation in this disease», Sanofi, October 22, 2021.

DERMATOLOGIE PRAXIS 2023; 33(1): 20–21 (veröffentlicht am 17.2.22, ahead of print)

Mirjam Peter, M.Sc. 

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