Die Hymenopterengiftallergie – landläufig auch Insektengiftallergie genannt – gehört neben den Nahrungsmittel- und Medikamentenallergien zu den sogenannten «Big 3» von schweren allergischen Reaktionen. Davor gefeit ist niemand: Das Risiko, nach einem Bienen- oder Wespenstich anaphylaktisch zu reagieren, wird auf ca. 5% geschätzt, die Rückfallquote ist nicht unerheblich. Wer einmal systemisch reagiert hat, sollte daher ein Notfallset stets parat haben.

Der nächste Sommer kommt bestimmt – und mit ihm die Hautflügler, auch Hymenopteren genannt. In unseren Breitengraden kommen Stiche von Bienen und Wespen relativ häufig vor. In der Schweiz sind neun verschiedene Wespenarten bekannt (von insgesamt rund 60), die stechen und allergische Reaktionen auslösen können. Aber auch Hummeln und Ameisen können Allergien verursachen, wenngleich dies eher selten geschieht (Tab. 1). Ameisen werden zu den Hymenopteren gezählt, da sie, bevor sie ihr Nest bauen, Flügel tragen. Diese werden erst während des Nestbaus abgeworfen.

Hymenopterengiftallergien werden als Unfälle klassifiziert. Gemäss der Schweizerischen Unfallversicherung Suva kommt es pro Jahr zu mehr als 10 000 derartiger Unfälle durch Hymenopterenstiche, welche jährliche Kosten von rund 20 Millionen CHF verursachen (die durchschnittlichen Kosten je Unfall werden mit ca. 750 CHF beziffert). Unabhängig davon, ob es sich um einen Bienen- oder Wespenstich handelt, löst etwa jeder zehnte Stich eine Allergie aus. Rund 40 Stiche im Jahr haben so schwere Reaktionen zur Folge, dass es zu Arbeitsausfällen von >3 Monaten kommt. «Diese schweren Fälle können mit Lähmungen, Hirnschlag oder Herzinfarkt einhergehen, was nicht nur für den Betroffenen schwerwiegende Konsequenzen hat, sondern auch statistisch mit hohen Kosten ins Gewicht fällt», erklärte Prof. Dr. Arthur Helbling, Universitätsklinik für Pneumologie und Allergologie am Inselspital Bern [1]. Die Abklärung verläuft in solchen Fällen nur selten über die Unfallversicherung, sondern in der Regel über die Krankenkasse.

Schwere Reaktionen allergologisch evaluieren

Jede schwerere Reaktion wie beispielsweise Atemwegsobstruktion, Dyspnoe oder auch Beteiligung des Kreislaufs gehört hinsichtlich einer allergenspezifische Immuntherapie (VIT) allergologisch abgeklärt. Falls demgegenüber ein Pa­tient nur lokal reagiert, z.B. durch eine Schwellung nach Stich in die Zunge, ist dies für den Betroffenen zwar unangenehm, muss aber nicht abgeklärt werden, da es keine therapeutischen Konsequenzen nach sich zieht. In solchen Fällen sei eher die Prophylaxe als die Diagnostik bzw. Behandlung zu beachten. 

Bei Personen, die systemische allergische Reaktionen (SAR) gezeigt haben – sei es mit Hautbeteiligung, Magen-Darm-Trakt, Atemwege oder Kreislauf –, rät Prof. Helbling dringend dazu, Sets mit Notfallmedikamenten bei sich zu führen. Dazu gehöre auch ein Adrenalin-Autoinjektor. «Auch milde Systemreaktionen wie Urtikaria gehen mit einem vierfach erhöhten Rückfallrisiko einher. Falls eine Schockreaktion erlitten wurde, liegt das Rückfallrisiko bei einem nächsten Stich bei 50–70%. Allein aus diesen Zahlen lässt sich bereits der Sinn einer VIT erkennen.» Die Behandlung mit Bienen- oder Wespengift dauert wenigstens 5 Jahre. Durch eine erfolgreiche VIT wird das Rückfallrisiko gesenkt, der Effekt hält jedoch nicht lebenslang an. Man geht davon aus, dass das Risiko nach Abbruch einer VIT pro Stich etwa 10% beträgt.

Take-Home-Messages
  • Die Insektengiftallergie ist ein häufiger Grund für eine Anaphylaxie – und sie
    kann jeden treffen.
  • Jede schwerere Reaktion ist allergologisch im Hinblick auf eine VIT zu
    evaluieren.
  • Nach einer Anaphylaxie ist jeder Patient mit Notfallmedikamenten/Adrenalin-Autoinjektor auszurüsten.
  • Auch nach Abschluss einer erfolgreichen VIT über 5 Jahre ist ein Rückfall einer SAR möglich.

Quelle: 1. FomF – WebUp 6 Highlights in 60 Minuten «Update Allergologie», Vortrag «Hymenopterengift Allergien», 12.12.2022.

InFo PNEUMOLOGIE & ALLERGOLOGIE 2023; 5(1): 23 (veröffentlicht am 23.2.22, ahead of print)

Jens Dehn 

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