Die häufigste Störung des Wasserhaushaltes ist die Hyponatriämie; sie ist damit auch die häufigste Elektrolytstörung. Die Beschwerden sind vielfältig von leicht bis lebensbedrohlich. Der Schweregrad der Symptome hängt von der Schnelligkeit der Entwicklung, der Dauer und dem Schweregrad der Hyponatriämie ab. Die Abklärung, aber auch die Therapie dieser Elektrolytstörung ist nicht immer einfach.

Der Hyponatriämie liegt in der Regel kein Natriummangel, sondern primär eine Störung des Flüssigkeitshaushaltes des Körpers zu Grunde. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichgewichts ist die Pathogenese der hypotonen Hyponatriämie bemerkenswert einfach: Entweder wird zu viel hypotone Flüssigkeit aufgenommen oder zu wenig davon mit dem Urin ausgeschieden, erklärt Dr. Cédric Jäger, Leitender Arzt Nephrologie, Universitäres Zentrum für Innere Medizin am Kantonsspital Baselland, Standort Bruderholz [1]. Um relevante Mengen an hypotonem Urin auszuscheiden, müssen die Nieren den Urin verdünnen, indem sie mehr Natrium und Kalium als Wasser resorbieren, diese Verdünnung aufrechterhalten und genügend grosse Mengen nicht-elektrolytischer gelöster Stoffe, im Allgemeinen Harnstoff, ausscheiden. Für klinische Zwecke können demnach vier grundlegende Mechanismen der Hyponatriämie unterschieden werden, so Jäger weiter: Hohe Aufnahme von freiem Wasser, hohes antidiuretisches Hormon (ADH), Verdünnungsdefekt und geringe Ausscheidung gelöster Nicht-Elektrolyte. 

Zwei zentrale Parameter entscheidend

Die Hyponatriämie ist definiert als ein Serum-Natriumspiegel <135 mmol/l. Bei Auftreten der Hyponatriämie wird zunächst die Plasma-Osmolalität bestimmt. Bei einer Plasma-Osmolalität <275 mOsm/kg liegt eine hypoosmolare Hyponatriämie vor. In diesem Fall sollte die Urin-Osmolalität bestimmt werden. Bei einer Urin-Osmolalität <100 mOsm/kg ist das ADH nicht aktiv, der Urin wird für hypotones Plasma angemessen verdünnt, es können eine primäre Polydipsie, eine geringe Aufnahme von gelösten Stoffen oder eine Niereninsuffizienz in Betracht gezogen werden. Eine Urin-Osmolalität ≥100 mOsm/kg weist auf ein aktives ADH hin, der Urin wird für hypotones Plasma unangemessen konzentriert. Ist dies der Fall, sollte das Urin-Natrium (UNa) bestimmt werden. Bei einem UNa <20 mEq/l ist das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) aktiv und das effektive arterielle Blutvolumen (EABV) niedrig. Die ADH-Sekretion ist physiologisch angemessen, in Betracht gezogen werden können eine Hypovolämie, Herzinsuffizienz oder Zirrhose. Bei einem UNa >30 mEq/l ist RAAS nicht aktiv und das effektive arterielle Blutvolumen (EABV) erhöht. Die ADH-Sekretion ist physiologisch unangemessen. Es entsteht das Syndrom der inadäquaten Antidiurese ­(SIADH), wodurch der Körper Flüssigkeit zurückhält und den Natriumspiegel durch Verdünnung senkt (Abb. 1) [2].

Geringe Zufuhr gelöster Stoffe ist eine unterschätzte Ursache für Hyponatriämie

Die meisten Patienten mit Hyponatriämie scheiden einen hypotonen Urin aus, eine Ausnahme besteht beim SIADH. In diesem Fall hängt die Ausscheidungsrate des freien Wassers vom Urinvolumen ab, das wiederum von der Ausscheidungsrate der gelösten Stoffe abhängig ist. Die tägliche Menge an gelösten Stoffen, die bei Erwachsenen mit normaler Ernährung ausgeschieden werden muss, beträgt 500–1000 mOsm und besteht aus Harnstoff, der durch den Stoffwechsel von Nahrungsprotein entsteht, und Elektrolyten. Wenn ein Patient eine tägliche gelöste Ladung von 600 mOsm hat, wird er täglich 3 Liter Urin ausscheiden (600 mOsm/200 mOsm/kg) und somit 1,5 Liter elektrolytfreies Wasser pro Tag. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Patient bei einer normalen täglichen Wasserzufuhr von 1,5 Litern hyponatriämisch wird, ist sehr gering. Wenn dagegen die tägliche gelöste Ladung auf 300 mOsm sinkt, zum Beispiel aufgrund einer unzureichenden Eiweisszufuhr, würde die tägliche Ausscheidung von elektrolytfreiem Wasser nur 750 ml betragen. In dieser Situation wäre eine Beschränkung der Wasseraufnahme auf etwa 750 ml täglich erforderlich, um eine fortschreitende Hyponatriämie zu vermeiden. Schliesslich würde ein Patient mit einer täglichen gelösten Ladung von 150 mOsm eine tägliche elektrolytfreie Wasserausscheidung von 375 ml haben und trotz strenger Einschränkung der Wasseraufnahme wahrscheinlich progressiv hyponatriämisch werden.

Die vielen Gesichter eines häufigen Krankheitsbildes 

Die extreme Ausprägung dieses Phänomens wird als «Bier-Potomanie» bezeichnet. Sie tritt selten und vor allem bei Alkoholikern auf, die grosse Mengen an elektrolytarmer Flüssigkeit trinken und nur wenig Eiweiss zu sich nehmen und trotz normaler Verdünnungsfähigkeit des Urins eine Hyponatriämie entwickeln. Dies wurde auch bei Patienten beschrieben, die extreme Diäten zur Gewichtsreduzierung mit sehr geringem Proteingehalt und hoher Wasserzufuhr (z.B. eine «Tee und Toast»-Diät) einhalten, was als «Nicht-Bier-Potomanie» oder «Hunger-Potomanie» bezeichnet wird.

Unterschätzt wird auch, dass die geringe Aufnahme von gelösten Stoffen bei Patienten mit anderen Erkrankungen, die eine Hyponatriämie verursachen, ein häufiger Faktor ist, der zur Hyponatriämie beiträgt. Insbesondere Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und chronischer Leberinsuffizienz sind in der Regel stark salzrestriktiv und haben möglicherweise einen eingeschränkten Appetit. Darüber hinaus sind viele dieser Patienten älter, leben allein und sind in ihren Funktionen stark eingeschränkt, was die Fähigkeit und Motivation zur Zubereitung nahrhafter Mahlzeiten weiter einschränkt. Diese Patienten haben einen Harnverdünnungsdefekt, da das zirkulierende Volumen erschöpft ist und die Sekretion des ADH stimuliert wird. Es wurde festgestellt, dass viele dieser Patienten einen relativ milden Harnverdünnungsdefekt haben, jedoch eine unverhältnismässig schwere Hyponatriämie aufweisen, die unerwartet resistent gegen die primäre Behandlung, nämlich die Flüssigkeitsrestriktion, ist. «Potomanie» ist in diesem Zusammenhang eine falsche Bezeichnung, da die Betroffenen häufig entweder freiwillig oder aufgrund der verordneten Flüssigkeitsrestriktion sehr wenig Flüssigkeit zu sich nehmen.

Auf Proteinzufuhr in der Nahrung achten

Dies stellt ein schwieriges Managementproblem dar, da es bei solchen Patienten nur wenige andere therapeutische Optionen gibt: Salz­tabletten sind in der Regel aufgrund von Ödemen kontraindiziert, Tolvaptan ist nur für die Akutbehandlung bis zu einem Monat zugelassen und bei Lebererkrankungen kontraindiziert. Schleifendiuretika sind zwar wirksam bei der Senkung einer sehr hohen Osmolalität des Urins, aber im Allgemeinen nur bis auf 200–300 mOsm/kg und nicht darunter. Bei solchen Patienten wurden anekdotische Erfolge bei der Behandlung mit einer Erhöhung der Proteinzufuhr in der Nahrung erzielt. Auf diese Weise kann die Harnstoffbildung, die tägliche osmolare Belastung und damit die tägliche freie Wasserausscheidung erhöhen. Interessanterweise ist dies physiologisch gleichwertig mit der Behandlung von Patienten mit Harnstoff, der erfolgreich zur Behandlung von SIADH eingesetzt wurde.

Es empfiehlt sich, bei allen Patienten mit Hyponatriämie die tägliche Ausscheidungsrate der gelösten Stoffe zu bestimmen. Diese kann anhand einer 24-Stunden-Urinsammlung bestimmt werden: Osmolare Ausscheidungsrate (mOsm/Tag) = Osmolalität des Urins (mOsm/kg) × Urinvolumen (l/Tag). Alternativ kann die Osmolalität auch aus einem Punkt­urin durch Normalisierung der Osmolalität des Urins auf die Kreatininkonzentration geschätzt werden: Osmolare Ausscheidungsrate (mOsm/Tag) = Urinosmolalität (mOsm/kg)/Urin-CR-Konzentration (mg/dl) × 100. Wenn die osmolare Ausscheidungsrate <500 mOsm/kg ist, sollte die Proteinzufuhr des Patienten geschätzt werden. Dies kann entweder direkt durch Auswertung der selbst angegebenen Nahrungsaufnahme oder indirekt anhand des gemessenen Harnstoffgehalts im Urin unter Verwendung einer Schätzgleichung für das Auftreten von Proteinstickstoff erfolgen. Ist die Proteinzufuhr des Patienten niedrig, sollten Massnahmen zur Erhöhung der Proteinzufuhr eingeleitet werden, um die freie Wasserausscheidung zu erhöhen und die Hyponatriämie zu verbessern.

Kongress: FomF Update Refresher 2023

Literatur:

  1. Dr. med. Cédric Jäger: Elektrolytstörungen – Richtig diagnostizieren und therapieren. Forum Medizin Fortbildung (FomF), Update Refresher 2023, Nephrologie, 26.01.2023.
  2. Workeneh BT, et al.: Hyponatremia Demystified: Integrating Physiology to Shape Clinical Practice. Advances in Kidney Disease and Health, 2022;
    doi: https://doi.org/10.1053/j.akdh.2022.11.004. 

HAUSARZT PRAXIS 2023; 18(2): 32–33 (veröffentlicht am 22.2.23, ahead of print)

Isabell Bemfert

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