Ob Scores wirklich notwendig sind, um den Schweregrad von Psoriasis und atopischer Dermatitis zu bestimmen, darüber lässt sich streiten. Entsprechende Für- und Gegen-Argumente vertraten die Expertin PD Dr. med. Julia-Tatjana Maul und der Experte Prof. Dr. med. phil. nat. Christoph Schlapbach in einer Oxford-Style-Debatte, moderiert von Prof. Dr. med. Nikhil Yawalkar, am AbbVie-Satelliten-Symposium beim diesjährigen SGDV-Kongress.

Prof. Nikhil Yawalkar vom Inselspital Bern eröffnete die Oxford-Style-Debatte über die Sinnhaftigkeit von Scores am 11. September 2022 im Kursaal Conference Center in Bern mit folgenden Worten: «Wir haben in den letzten Jahren eine unglaubliche Entwicklung verschiedener Medikamente im Bereich der chronisch entzündlichen Hauterkrankungen miterlebt. Um beurteilen zu können, wie gut diese Medikamente sind, braucht es gewisse Scores.» 

PASI- und DLQI-Scores belegen Wirksamkeit von Risankizumab bei Psoriasis [1, 2]

Seine Aussage verdeutlichte er am Beispiel von Risankizumab. Der stabile Langzeiteffekt des IL-23-Inhibitors bei der Behandlung von Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis wurde in der offenen Verlängerungsstudie LIMMitless mithilfe des Psoriasis Area and Severity Index (PASI) gezeigt: Nach 256 Wochen unter Risankizumab erzielten 85,1 % der Patienten eine mindestens 90 %-ige Verbesserung des Scores, hatten also ein PASI 90-Ansprechen. Komplett erscheinungsfrei mit einem PASI 100-Ansprechen waren 52,3 % der Patienten [1].

Dass Risankizumab auch unter Real-World-Bedingungen wirksam ist, zeigen aktuelle Ergebnisse der laufenden prospektiven internationalen post-Marketing Beobachtungsstudie VALUE mit aktuell 2150 eingeschlossenen Psoriasis-Patienten: Nach einem Jahr hatte sich der durchschnittliche absolute PASI-Score bei den Patienten, die mit Risankizumab behandelt wurden, von 14,6 auf 0,7 reduziert (Abbildung 1). Die Reduktion im Dermatology Life Quality Index (DLQI) von 12,8 auf 1,8 verdeutlichte, dass sich auch die Lebensqualität der Betroffenen signifikant verbessert hatte [2]. 

Abbildung 1: Absolute PASI- und DLQI-Scores unter Risankizumab verglichen zu anderen Biologika bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis in der prospektiven internationalen post-Marketing Beobachtungsstudie VALUE. Risankizumab (RZB, grün). Andere Biologika (violett). * P < 0,05; ** P ≤ 0,01; *** P < 0,001. PASI: Psoriasis Area and Severity Index; DLQI: Dermatology Life Quality Index. Adaptiert nach [2].

Über 60 % der AD-Patienten erreichen EASI 90-Ansprechen mit Upadacitinib nach einem Jahr [3]

Auch bei der AD werden verschiedene Scores eingesetzt, um den Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen und das Therapieansprechen zu evaluieren. Der Eczema Area and Severity Index (EASI) dient beispielsweise zur Einstufung der Hautläsionen [4]. In den beiden randomisierten, Placebo-kontrollierten, Phase-III-Studien MEASURE Up 1 und MEASURE Up 2 zeigten 62 % der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer AD, die über ein Jahr mit dem Januskinase-Inhibitor Upadacitinib (15 mg, 1x täglich) behandelt wurden, eine mindestens 90 %-ige Verbesserung des EASI-Scores, also ein EASI 90-Ansprechen (Abbildung 2) [3].  

In einer Netzwerk-Metaanalyse schnitt Upadacitinib (15 mg, 1 x täglich) im Vergleich zu anderen in den letzten Jahren in der Schweiz zugelassenen systemischen Immunmodulatoren bei mittelschwerer bis schwerer AD hinsichtlich des EASI 75- und des EASI 90-Ansprechens in Woche 12 bis 16 am besten ab. Auch im Bezug auf Juckreiz-Linderung, gemessen anhand einer Verbesserung um mindestens 4 Punkte auf der Pruritus Numerical Rating Scale (NRS), und im Bezug auf die allgemeine Einschätzung des behandelnden Arztes, festgemacht am Investigator Global Assessment (IGA-AD)-Score, lag Upadacitinib in dieser Analyse vorn [5]. «Dies sind natürlich keine Daten aus direkten Vergleichsstudien», räumte Prof. Yawalkar ein.

Abbildung 2: EASI 90-Ansprechen unter Upadacitinib (15 mg, 1x täglich) bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis in den laufenden randomisierten, Placebo-kontrollierten, Phase-III-Studien MEASURE Up 1 und MEASURE Up 2. Integrierte Auswertung, observed cases analysis. nicht kontrolliert für Multiplizität. EASI: Eczema Area and Severity Index. Adaptiert nach [3]. 

Der Gegner: «Scores sind den Aufwand nicht wert!»*

Basierend auf dieser Einleitung schlüpfte zunächst Prof. Schlapbach in seine ihm zugeteilte Rolle als Score-Gegner. Seine Mission: Das Publikum auf unterhaltsame Art zu überzeugen, dass Scores bei enzündlichen Hauterkrankungen den Aufwand nicht wert sind. 

Als erstes Argument brachte er an, dass bei der Datenerhebung für klinische Studien im Regelfall ausreichend Ressourcen – Ärzte, Zeit und organisatorische Unterstützung – vorhanden sind. Diese ermöglichen es, entsprechende Scores zu erheben. Hingegen muss es im Praxisalltag schnell gehen und pro Patient stehen nur wenige Minuten und wenig Personal zur Verfügung. Scores zu erheben ist hier reine Ressourcen-Verschwendung! 

Score-Befürworterin : «Vielleicht dauert es in Bern so lange, die Scores zu erheben. In Zürich geht das schneller.»

Zudem verdeutlichte Prof. Schlapbach anhand von fiktiven Patientenbeispielen, dass er allein durch Anschauen seiner Patienten und die richtige Kommunikation sofort erkennen kann, wie stark beispielsweise eine Psoriasis ausgeprägt ist – Scores braucht er hierfür keine. Viel wichtiger ist es, potenzielle Begleiterkrankungen, wie ein metabolisches Syndrom, durch zielgerichtete Fragen zu identifizieren und den Patienten entsprechend umfassend zu behandeln. 

Und auch um das Therapieansprechen zu evaluieren, muss Prof. Schlapbach den PASI-Score nicht messen, es reicht die Frage an den Patienten: ‘Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Therapie?’ Scores geben, so der ernannte Score-Gegner, ein falsches Gefühl von Exaktheit und auch in der  Literatur wird bemängelt, dass die Bewertung durch Scores in verschiedenen Studien nicht kohärent ist [6, 7]. Prof. Schlapbachs abschliessendes Urteil zum Einsatz von Scores: «In Studien ein klares Ja, in der Praxis den Aufwand nicht wert.» 

Score-Befürworterin: «Die Therapieziele bei Psoriasis sind in den letzten 10 Jahren dank effektiverer Therapien und Scores, zur Bestimmung deren Wirksamkeit viel ambitionierter geworden. So gilt heute nicht mehr ein PASI 75-, sondern ein PASI 90-Ansprechen als optimales Therapieziel [8,9]!»

Die Befürworterin: «Wir brauchen Scores nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch im Praxisalltag»*

Auch PD Dr. Maul, die die Rolle der Score-Befürworterin annahm, trumpfte mit zwei fiktiven Psoriasis-Patientenfällen auf; in diesem Fall um aufzuzeigen, wieso man etwas Zeit für die Bestimmung von Scores investieren sollte, um Patienten optimal behandeln zu können.

So war die Psoriasis des 46-jährigen Herr Meier** basierend auf der äusserlichen Betrachtung und einem PASI-Wert von 8,2 zwar nur als leicht einzustufen. Die Bestimmung des DLQI ergab allerdings einen Wert von 28, der auf einer Skala von maximal 30 Punkten auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensqualität hinwies. Zudem sprach ein Nail Psoriasis Severity Index (NAPSI)-Wert von 16 für einen starken starken Nagelbefall. Als Gegenbeispiel stellte PD Dr. Maul den 65-jährigen Herrn Müller** vor, der nach der optischen Beurteilung der Hautläsionen an einer starken Psoriasis mit einem PASI-Wert von 16,4 litt. Dieser Patient war von einem Nagelbefall verschont geblieben und seine Lebensqualität war basierend auf einem DLQI-Wert von 5 nur schwach von seiner Psoriasis beeinträchtigt. 

Score Gegner: «Wenn ich im Gespräch mit dem Patienten nicht bemerke, dass sein DLQI 28 beträgt, bin ich im falschen Beruf!»

Für die Score-Befürworterin ist klar: Wir müssen auch den DLQI berücksichtigen und bei einem hohen Score untersuchen, ob der Patient an einer Depression leidet und suizidal ist. Innerhalb von zwei Minuten, die es dauert, den DLQI zu bestimmen, weiss man, ob man sich mehr Zeit nehmen muss, um den Patienten abzufangen, auch wenn sein offentsichtlicher Hautbefall nicht unbedingt darauf hindeutet. Deswegen ein klares Ja für Scores – nicht nur für den PASI, sondern auch für Patienten-Scores. Darüberhinaus zeigte PD Dr. Maul auf, dass wirksame Medikamente bei Psoriasis und AD heute nur verfügbar sind, weil man deren Ansprechen in klinischen Studien mithilfe von Scores nachweisen konnte. “Wenn es keine Scores gäbe, wäre es gar nicht möglich, dass diese Therapien zugelassen sind.” Und auch in aktuellen Europäischen Guidelines zu AD und zu Psoriasis werden der Schweregrad der Erkrankung und somit die empfohlene Therapie basierend auf Scores bestimmt [10,11]. “Wir Ärztinnen und Ärzte benötigen für die Wahl der Behandlung eine Objektivierbarkeit der Erkrankung, die auch schon bei der Zulassung der Medikamente eine Rolle spielt.” Für die Dermatologin stellen Scores also Wegweiser im medizinischen Alltag dar. Besonders im Hinblick auf die Treat-to-Target-Strategie sind sie nötig, um ein klares Behandlungsziel zu definieren und die Behandlungsstrategie basierend auf dem Grad des Ansprechens zu optimieren. Und auch für die Beantragung von Kostengutsprachen seien Scores vonnöten.

Score Gegner: «Nicht alle Patienten sind durch die Empfehlungen gut abgebildet. Jeder Patient hat individuelle Bedürfnisse.»

Ihr Plädoyer für den Einsatz von Scores schloss PD Dr. Maul mit einem sinngemässen Zitat von Abby Van VorheesM.D., Chair of Dermatology at Eastern Virginia Medical School & Chair of the National Psoriasis Foundation Medical Board: “Wir Ärztinnen und Ärzte brauchen Scores nicht nur für unsere Patientinnen und Patienten, sondern auch, um uns selbst zu verbessern. Wir müssen unsere eigenen Ziele hochstecken. Dies können wir nur mithilfe von Scores erreichen, indem wir uns bildlich vor Augen führen, wie wir es geschafft haben, dass die Patientin oder der Patient zufrieden nach Hause geht.”

Fazit

Dass sich die bei Psoriasis und AD zur Verfügung stehenden Behandlungen in den letzten Jahren immens weiterentwickelt haben, sodass ambitionierte Therapieziele mittlerweile für viele Betroffene realistisch sind, ist schwer abzustreiten [1, 3]. Ob Scores im Praxisalltag wirklich sinnvoll sind, um den Therapieerfolg zu messen, hängt zum grossen Teil von der Perspektive des Betrachters ab, wie diese unterhaltsame Debatte im Oxford-Stil aufzeigte. Am Ende konnte PD Dr. Maul die Teilnehmenden des Symposiums von ihrem «Dafür»-Standpunkt überzeugen – in einer Live-Umfrage fanden etwas mehr als die Hälfte der Befragten «Scores sind den Aufwand wert». 

* Die Argumente für und gegen den Einsatz von Scores spiegeln nicht unbedingt die Meinungen der ReferentInnen wider, die im Zuge der Oxford-Style-Debatte lediglich die Rollen der Befürworterin und des Gegners annahmen. 

** Die Namen der vorgestellten Patienten sind fiktiv. 

Referenzen

1. Papp K et al. Long-term Safety and Efficacy of Risankizumab for the Treatment of Moderate-to-Severe Plaque Psoriasis: A 4.5-year Interim Analysis of the LIMMitless Open-label Extension Trial. Poster (P1603) by K. Papp, EADV Congress 7.-10. September 2022.

2. Thaci D et al. Efficacy of risankizumab in psoriasis patients participating in the VALUE multi-country post-marketing observational study. Poster (P1538) presented by D. Thaci, EADV Congress 7.-10. September 2022.

3. Simpson EL et al. Efficacy and Safety of Upadacitinib in Patients With Atopic Dermatitis: Results Through Week 52 From Replicate , Phase 3, Randomized, Double Blind, Placebo Controlled Studies: Measure Up 1 and Measure Up 2. Presented at the 2021 Dermatology Education Foundation (DEF) Essential Resource Meeting (DERM2021), August 5-8, 2021, Las Vegas NV, USA.

4. Chopra R et al. Severity strata for Eczema Area and Severity Index (EASI), modified EASI, Scoring Atopic Dermatitis (SCORAD), objective SCORAD, Atopic Dermatitis Severity Index and body surface area in adolescents and adults with atopic dermatitis. Br J Dermatol, 2017. 177(5): p. 1316-1321.

5. Silverberg JI et al. Comparative Efficacy of Targeted Systemic Therapies for Moderate to Severe Atopic Dermatitis without Topical Corticosteroids: Systematic Review and Network Meta-analysis. Dermatol Ther (Heidelb), 2022. 12(5): p. 1181-1196.

6. Chopra R et al. Assessing the severity of atopic dermatitis in clinical trials and practice. Clin Dermatol, 2018. 36(5): p. 606-615.

7. Bożek A et al. The reliability of three psoriasis assessment tools: Psoriasis area and severity index, body surface area and physician global assessment. Adv Clin Exp Med, 2017. 26(5): p. 851-856.

8. Mrowietz U. Implementing treatment goals for successful long-term management of psoriasis. J Eur Acad Dermatol Venereol, 2012. 26 Suppl 2: p. 12-20.

9. Amatore F et al. French guidelines on the use of systemic treatments for moderate-to-severe psoriasis in adults. J Eur Acad Dermatol Venereol, 2019. 33(3): p. 464-483.

10. Wollenberg A et al. European guideline (EuroGuiDerm) on atopic eczema: part I – systemic therapy. J Eur Acad Dermatol Venereol, 2022. 36(9): p. 1409-1431.

11. Nast A et al. EuroGuiDerm Guideline on the systemic treatment of Psoriasis vulgaris – Part 2: specific clinical and comorbid situations. J Eur Acad Dermatol Venereol, 2021. 35(2): p. 281-317.

Die Referenzen können durch Fachpersonen bei medinfo.ch@abbvie.com angefordert werden. 

Kurzfachinformation RINVOQ® & SKYRIZI®

Mit finanzieller Unterstützung durch AbbVie AG, Alte Steinhauserstrasse 14, 6330 Cham.

CH-RNQD-220008_12/2022

Dr sc. nat. Jennifer Keim

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