Pneumonie-Diagnose und Triage ist alles andere als trivial, vor allem nicht im Kontext der aktuellen Covid-Pandemie. Als Grundlage für die Entscheidung, welche Patienten im ambulanten Setting betreut werden können, ist neben der Oxygenierung der Einbezug des CRB-65-Scores sowie der ATS-Kriterien hilfreich. Während eine klassische Pneumonie mittels gezielter Antibiotika­therapie behandelt werden kann, stehen für Covid-Patienten inzwischen ­mehrere monoklonale Antikörpertherapien zur Verfügung, wobei es einiges zu beachten gilt.

Die Inzidenz der ambulant erworbenen Pneumonie steigt mit jeder Lebensdekade. Bei den Erregern handelt es sich meistens um Bakterien. Streptococcus pneumoniae ist der häufigste Erreger, gefolgt von Mycoplasma pneumoniae und Viren [1]. Gemäss Pneumonie-Triade handelt es sich bei den betroffenen Patienten um immunkompetente Personen. Bei über 65-Jährigen ist die Pneumonie mit einer erhöhten Letalität assoziiert [2]. «Die Pneumonie-Diagnose ist schwierig», gibt Dr. med. Stephan Wieser, Lungen-Klinik Bethanien, Zürich, zu bedenken [3]. «Ein Goldstandard fehlt – nichts ersetzt Sie als Kliniker», so der Pneumologe weiter. Kriterien sind ein akuter Verlauf (≤21 Tage) mit Husten, plus ≥ 1 Zusatz-Symptom/Befund (neuer Befund der klinischen Thorax-Untersuchung, Fieber >4 Tage, Dyspnoe/Tachypnoe) [3,5]. Insbesondere ältere Patienten präsentieren sich häufig oligosymptomatisch. Neben Atemwegssymptomen wie Husten mit oder ohne Auswurf, Dyspnoe und atemabhängigen thorakalen Schmerzen sind Allgemeinsymptome wie Fieber oder Hypothermie, sowie ein allgemeines Krankheitsgefühl häufig. Auch grippale Symptome (z.B. Myalgien, Arthralgien, Diarrhöen) oder neurologische Beschwerden (z.B. Desorientiertheit) sind möglich [1]. Bei klinischem Verdacht auf eine Pneumonie wird zur Sicherung der Diagnose eine thorakale Bildgebung empfohlen [1]. Die Entzündung des Lungengewebes ist aus radiologischer Sicht als Infiltrat objektivierbar. Thorax-Röntgen ist auch differenzialdiagnostisch sowie zur Detektion von Komplikationen oder Begleiterkrankungen, wie beispielsweise Herzinsuffizienz, aufschlussreich [1,3].

Welche Patienten können ambulant behandelt werden und welche gehören auf die IPS?

Der CRB-65-Index kann zusammen mit der Sauerstoffsättigung für die Triage verwendet werden. «Der CRB-65-Score ist klinisch sehr einfach anzuwenden», so Dr. Wieser [3]. Es handelt sich um einen klinischen Score, mit welchem der Schweregrad einer ambulant erworbenen Pneumonie und die 30-Tage-Mortalität abgeschätzt werden können (Übersicht 1)[3]. Daneben ist die Sauerstoffsättigung ein weiterer relevanter Parameter. Patienten, die im CRB-65  eine Punktzahl von 0 oder bei über 65-Jährigen 1 haben, eine ausreichende Oxygenierung mit SaO2  > 92% aufweisen und nach klinischer Einschätzung stabil erscheinen, können in der Regel ambulant behandelt werden (Tab. 1) [1]. Falls man sich für eine ambulante Behandlung entscheidet, sollte man den Patienten jedoch nach 48–72 h re-evaluieren [1]. Bei einem CRB-Score von 1–2 wird eine stationäre Aufnahme empfohlen. Eine Hospitalisation sei auch in Betracht zu ziehen, wenn eine akute respiratorische Insuffizienz oder eine Sepsis vorliegt oder eine dekompensierte Komorbidität besteht, so Dr. Wieser. Bei einem CRB-Score von 3–4 Punkten liegt ein erhebliches Mortalitätsrisiko vor und es ist eine Intensivtherapie indiziert [4]. Ob eine Zuweisung auf die Intensivstation indiziert ist, könne auch anhand der ATS-Kriterien beurteilt werden. Wenn mechanische Beatmung erforderlich ist oder ein septischer Schock vorliegt, oder wenn ≥3 der Minor-Kriterien erfüllt sind, sollte eine IPS-Aufnahme erfolgen (Abb. 1)[3,6].

Gezielte Antibiotikatherapie: was bedeutet das konkret?

Eines der Ziele der Pneumonie-Diagnostik ist die Einleitung einer gezielten Antibiotikatherapie. Amoxicillin oder Amoxicillin/Clavulansäure wirkt sehr gut gegen Pneumokokken. Haemophilus bildet etwas mehr Betalaktamase. Bei Risikofaktoren wie Pflegeheim, chronische Erkrankungen oder Aspirationen seien häufig Betalaktamase-Bildner dabei, sodass man zusätzlich mit Clavulanat behandelt, erklärt Dr. Wieser. Doxycyclin, ein Tetracyclin, wirke auch sehr gut gegen Pneumokkken, wenn auch nicht in gleichem Ausmass wie Amoxicillin. Doxycyclin hat insbesondere eine gute Wirksamkeit gegen atypische Erreger. Dasselbe gilt für Makrolide, die in der Schweiz gegen Pneumokokken ebenfalls weiterhin eine sehr gute Wirksamkeit haben. Hingegen sollten respiratorische Fluorchinolone wie Levofloxacin oder Moxifloxacin im ambulanten Setting lediglich als Reserve verwendet werden. Diese Überlegungen spiegeln sich auch wider in den Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinien zur empirischen Antibiotika-Therapie, wobei diesbezüglich wichtig sei, sich an der lokalen Resistenzlage orientieren und lokale Empfehlungen zu übernehmen, weil dies je nach Region ein bisschen variieren könne, gibt Dr. Wieser zu bedenken. Die Indikationsrichtlinien der DGP bieten aber eine gute Orientierung (Tab. 2). Bezüglich Influenza-Pneumonien sei es erwähnenswert, dass das Medikament von Oseltamivir in den aktuellen Richtlinien einen höheren Stellenwert eingeräumt werde im Vergleich zu früher, so der Referent.

Covid-19: «Happy hypoxia» – Sauerstoff­sättigung und Atemfrequenz messen!

«Bei der Covid-19-Pneumonie dürfen Sie die gleiche Triage durchführen», fasst der Referent zusammen. Die Wertigkeit der Sauerstoffsättigung ist aber noch viel grösser, denn es gibt den klinischen Befund der «silent hypoxia», was auch als «happy hypoxia» bezeichnet wird [7]. «Die Patienten bemerken ihre Hypoxie nicht in diesem Ausmass, mit Dyspnoe, wie wir das von früher gewohnt sind».

Dazu weshalb diese «happy hypoxia» auftritt gibt es verschiedene Hypothesen, zum Beispiel, dass initial die Dehnbarkeit der Lunge erhalten ist, und die Atemarbeit dadurch nicht wesentlich erhöht wird. Oder dass die Vasoregulation der Lunge unter anderem durch Mikrothromben und Gefässpathologie verändert ist und ein Verlust der hypoxischen pulmonalen Vasokonstriktion auftritt und dadurch mehr perfundiert als ventiliert wird und der Patient dadurch die Hypoxie gar nicht richtig bemerkt. Eine weitere Hypothese lautet, dass aufgrund der Hypoventilation eine respiratorische Alkalose auftritt und dadurch mehr Sauerstoff ans Häm gebunden wird und entsprechend längere Zeit eine noch erhaltene Sättigung besteht, bevor die Erschöpfung auftritt. Eine weitere Hypothese ist, dass das SARS-CoV-2-Virus direkt neural wirkt und die Mechano- und Chemorezeptoren in ihrer Afferenz negativ beeinflussen und deshalb die Wahrnehmung der Hypoxie und der Atemmechanik für den Patienten nicht gleich erfassbar ist. Die Quintessenz lautet, dass es bei Covid-19-Verdacht besonders wichtig ist, neben der Sauerstoffsättigung auch die Atemfrequenz zu messen.

Monoklonale Antikörpertherapie gegen Covid-19: frühzeitiger Einsatz empfohlen

Bezüglich Behandlungsmöglichkeiten von Covid-Patienten ist die Studienlage bezüglich einem off-label Einastz inhalativer Steroide kontrovers. Aber mit Antikörperpräparaten wie Ronapreve®(Casirivimab / Imdevimab), Xevudy® (Sotrovimab) und Lagrevio® (Molnupiravir) stehen mehrere zugelassene respektive in klinischen Studien erfolgreich getestete Therapieoptionen zur Verfügung. Bei den mit Casirivimab/Imdevimab 1200 mg (i.v., 1×) behandelten Patienten (n=736) zeigte sich im Vergleich zur Kontrollgruppe (n=748) eine Risikoreduktion um 70,4% (95% KI; 31,6–87,1; p=0,002) im Endpunkt Hospitalisation oder Tod nach 29 Tagen (1% vs. 3,2%) [8]. Bei den mit Sotrovimab 500 mg (i.v., 1×) behandelten Patienten zeigte sich im gleichen Endpunkt eine Risikoreduktion von rund 85% (1% vs. 7,2%) [9]. Wichtig ist, dass eine Behandlung mit diesen monoklonalen Antikörpern früh im Verlauf der Covid-Erkrankung erfolgt, was auch auf Molnupiravir zutrifft, wie die im New England Journal of Medicine publizierte Phase-III-Daten zeigen [10].

In der Schweiz sind die Kriterien für eine Einsatz einer Antikörpertherapie in den «Empfehlungen für den Einsatz von monoklonalen Antikörpertherapien durch die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie und Clinical Care Group der Swiss National COVID-19 Science Task Force» zusammengefasst. Aktuell beschränkt sich der Indikationsbereich auf über 12-Jährige mit milder Covid-Symptomatik, die keine zusätzliche Sauerstofftherapie benötigen, ungeimpft sind oder deren Impfung/Booster ≥ 4 Monate zurückliegt (vorzugsweise mit negativer Serologie). Ausserdem kommen Patienten für diese Therapieoption infrage, wenn sie ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben, nicht geimpft oder genesen sind oder wenn es sich bei den Covid-Erkrankten um Immunsupprimierte handelt, oder um ungeimpfte schwangere Frauen oder über 80-Jährige Personen [11].

Kongress: Forum für medizinische Fortbildung

Literatur:

  1. S3-Leitlinie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie – Update 2021, www.awmf.org (letzter Abruf 26.01.2022)
  2. Ewig S, et al.: Thorax 2009; 64: 1062–1106.
  3. Wieser S: Die ambulant erworbene Pneumonie, Dr. med. Stephan Wieser, FomF 25.01.2022
  4. Bauer TT, et al.: J Intern Med 2006; 260(1): 93–101.
  5. ERS/ESCMID Guidelines for the management of adult lower respiratory tract infections. Clin Microbiol Infect 2011
  6. Chalmers JD, et al.: Clin Infect Dis 2011; 53(6): 503–511.
  7. Machado-Curbelo C: MEDICC Rev 2020; 22(4): 85–86.
  8. Weinreich DM; Trial Investigators: N Engl J Med 2021; 385(23): e81.
  9. Gupta A, et al.: COMET-ICE Investigators: N Engl J Med 2021; 385(21): 1941–1950.
  10. Jayk Bernal A, et al.: N Engl J Med. 2021 Dec 16: NEJMoa2116044.
  11. BAG: Empfehlungen für den Einsatz der monoklonalen Antikörpertherapien Sotrovimab und Casirivimab/Imdevimab der Schweizerischen Gesellschaft für Infektions krankheiten (SSI) und der Clinical Care Group (CCG) der Swiss National COVID-19 Science Task Force, 6. Januar 2022.

HAUSARZT PRAXIS 2022; 17(2): 28–30

Mirjam Peter, M.Sc.

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