Die aktuell verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten gegen Covid-19 sind sehr begrenzt und es wird fieberhaft nach wirksamen Medikamenten geforscht. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat kürzlich Resultate einer präklinischen in vitro Studie veröffentlicht, welche darauf hinweisen, dass ein Extrakt auf der Basis von Pelargonium sidoides den Eintritt von SARS-CoV-2 in menschliche Lungenzellen hemmt und damit das Viruswachstum inhibiert.

Es gibt einen Bedarf an Medikamenten, welche sowohl die virale Last als auch die durch SARS-CoV-2 induzierten Entzündungsreaktionen reduzieren. Der standardisierte Pelargonium sidoides-Extrakt EPs® 7630 (Kaloba®) hat in klinischen und präklinischen Studien bei herkömmlichen Atemwegsinfekten antivirale und immunmodulierende Eigenschaften bewiesen [1,2,6]. Kaloba® ist für die Behandlung von akuter Bronchitis in der Schweiz und weiteren Ländern zugelassen und bei Rhinosinusitis wird der Einsatz von EPs®7630 in einem europäischen Positionspapier (EPOS, European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps 2020 [3]) empfohlen [3,4]. Um Näheres herauszufinden über die mögliche Wirkung des Pelargonium sidoides-Extraktes auf das neue Coronavirus wurde der Einfluss von EPs® 7630 auf den Eintritt von SARS-CoV-2 in die Zellen, sowie auf das Viruswachstum untersucht [5]. Ein weiterer Outcome-Parameter war der Effekt auf die Expression von mit Covid-19 assoziierten proinflammatorischen Zytokinen, Chemokinen und Wachstumsfaktoren. Dazu wurden menschliche Lungenzellen der Zelllinie Calu-3 sowie Vero-Zellen von Affen mit SARS-CoV, MERS-CoV, SARS-CoV-2 sowie einer alpha- und beta-Variante von SARS-CoV-2 infiziert und anschliessend mit dem Extrakt EPs® 7630 sowie verschiedenen Fraktionen in unterschiedlichen Konzentrationen (10 und 100 µg/ml) behandelt. Die durch Ultrafiltration gewonnenen phytochemischen Fraktionen von EPs® 7630 enthielten entweder Prodelphinidin in verschiedenen Oligomergrössen oder niedermolekulare Inhaltsstoffe wie Benzopyranone und Purinderivate.

Nachweisliche Hemmung des Viruswachstums

Bei den mit den verschiedenen Coronaviren und SARS-CoV-2-Varianten infizierten Calu-3 und IFN (Interferon)-defizienten Vero-Zellen (VeroFM) zeigte sich nach 48 Stunden eine signifikante Wachstumshemmung aller Coronaviren um bis zu >99% bei einer Konzentration von 100 μg/ml EPs® 7630 [5]. Im Falle von SARS-CoV-2 wurde bereits mit 10 μg/ml in beiden Zell­linien eine signifikante Wachstumshemmung beobachtet. Bei den übrigen Virusvarianten wurde nur bei der EPs® 7630-Konzentration von 100 µg/ml eine signifikante Inhibition beobachtet. Der IC50-Wert lag in beiden Zellinien ausserhalb des zytotoxischen Bereichs und betrug für die Hemmung von SARS-CoV-2 in VeroFM-Zellen 0,48 μg/ml und in Calu-3-Zellen 1,61 μg/ml.

Zelleintritt konnte gebremst werden

Das Coronavirus heftet sich durch Kopien des Spike-Proteins an den Hauptrezeptor ACE2 der Zelle an und kann entweder durch Endozytose oder durch die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2) vermittelte Fusion der Virushülle mit der zellulären Membran in die Zelle eingeschleust werden. Um zu analysieren, welcher Mechanismus durch EPs® 7630 beeinflusst wird, wurden TMPRSS2-negative Vero- und TMPRSS2-positive Calu-3-Zellen mit SARS-CoV-2-Spikeprotein tragenden Pseudopartikeln infiziert [5]. Es zeigte sich, dass EPs® 7630 den Zelleintritt von SARS-CoV-2 in Calu-3-Zellen mit höherer Effektivität (59%) hemmte als in Vero-Zellen (17%), was darauf hinweist, dass der Pelargonium sidoides-Extrakt sowohl endosomale als auch Plasmamembranfusion-vermittelte Prozesse beeinflusst. Eine Untersuchung der Extraktfraktionen zeigte eine signifikante Eintrittshemmung bei hohen Konzentrationen von 100 μg/ml für sämtiche Fraktionen. Solche mit mittlerem bis höherem Molekulargewicht (3 bis >30 kDA) hemmten das Viruswachstum vollständig, während Fraktionen mit niedrigem Molekular­gewicht (<1 bis 3 kDa) eine maximale Hemmung von ungefähr 90% bei 10 respektive 66 µg/ml erzielten. Zusammenfassend deutet dies auf eine unterschiedliche Aktivität der Fraktionen hin, wobei sich Prodelphinidin in geringer Oligomergrösse und niedermolekulare Bestandteilen am effizientesten erwiesen haben, indem der Zelleintritt von SARS-CoV-2 bereits in Konzentrationen von 10 μg/ml gehemmt werden konnte.

Betreffend Immunmodulation kam es bei den mit EPs® 7630 behandelten infizierten Calu-3-Zellen zu einer signifikanten Verringerung der Genexpression des proinflammatorischen Interleukins 1B (IL-1B) sowie einer starken Hochregulierung des entzündungshemmenden TNFAIP-3-Gens. Alle übrigen Gene zeigten einen begrenzten, aber nicht signifikanten Rückgang der Genaktivierung.

Zusammenfassung

Die Autoren vermuten, dass die gezeigten Effekte bei der Bekämpfung von Coronavirus-Infek­tio­nen und der Vorbeugung mit Covid-19 assoziierter Entzündungen und Immundysregulationen (Zytokinsturm) von Nutzen sein könnten [5]. Die vorliegenden Untersuchungen deuten an, dass EPs® 7630 den Eintritt von SARS-CoV-2 in die Wirtszellen hemmt und somit das Viruswachstum behindert. Diese Effekte könnten zu einer Einschränkung der SARS-CoV-2-induzierten Hochregulation von Immungenen führen, wobei die niedermolekularen Fraktionen mit geringem Einfluss auf den Zelleintritt einen mit EPs® 7630 vergleichbaren immunogenen Effekt zeigten. Am effizientesten bei der Hemmung des SARS-CoV-2-Eintritts und zwar bereits bei 10 μg/ml waren Fraktionen mit Prodelphinidinen mit einem niedrigen Oligomerisierungsgrad sowie niedermolekulare Substanzen. Diese hatten vergleichbare Auswirkungen auf die Regulierung des Immunsystems wie EPs® 7630.

Da bislang nur Ergebnisse aus in-vitro-Un­ter­suchungen vorliegen, und klinische Studienbefunde fehlen, können keine Aussagen darüber getroffen werden, ob die Einnahme von EPs® 7630 beim Menschen eine prophylaktische oder therapeutische Wirksamkeit gegen das neue Coronavirus hat.

Literatur:

  1. Michaelis M, et al.: Phytomedicine 2011; 18(5): 384–386.
  2. Matthys H, et al.: Respir Med 2013; 107(5): 691–701.
  3. Fokkens WJ, et al.: Rhinology 2020; 58(Suppl S29): 1–464.
  4. Orlandi RR, et al.: Int Forum Allergy Rhinol 2016; 6(1): S22–S209.
  5. Papies J, et al.: Front Pharmacol 2021; 12: 757666.
  6. Arzneimittelinformation: Kaloba®www.swissmedicinfo.ch (letzter Abruf 10.11.2021)

HAUSARZT PRAXIS

Mirjam Peter, M.Sc.

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