Frauenspezifische Themen wie Menstruationszyklus, Schwangerschaft, das relative Energiedefizit-Syndrom (RED-S) oder der Beckenboden werden im Spitzensport noch viel zu wenig thematisiert und diskutiert. Umfassendes Wissen darüber ist jedoch von zentraler Bedeutung, damit Athletinnen sportlich optimal gefördert und betreut werden können. 

Heutzutage sind Frauen in fast allen sportlichen Disziplinen anzutreffen, ob nun im Freizeit- oder Leistungssportbereich. Vor diesem Hintergrund ändert sich auch der Bedarf und der Anspruch an die gynäkologisch-endokrinologisch-geburtshilfliche Versorgung der Frau. Im Fokus stehen besonders weibliche Themen, die für das Training, die Ernährung aber auch für die Erholung leistungsrelevant sind. 

Zyklus und Leistungsfähigkeit

Wie der weibliche Zyklus mit der sportlichen Leistungsfähigkeit zusammenhängt und wie dessen Einflüsse besser genutzt und gesteuert werden können erklärt Dr. med. Sibylle Matter Brügger, leitende Ärztin der Sportmedizin im Sports Medical Center Medbase Bern Zentrum, anhand eines Patientenbeispiels [1]. Bei ihrer ersten gynäkologischen Beratung gibt die Patientin, eine 14-jährige Leichtathletikerin, welche fünf- bis sechsmal in der Woche zwei Stunden trainiert, an manchmal unter Müdigkeit zu leiden. Die normalgewichtige Patientin hat eine regelmässige Menstruation mit leichter Dysmenorrhoe und schweren Blutungen. Die Blutuntersuchung zeigt einen erniedrigten Ferritin-Wert von 16 µg/l, das Hämoglobin befindet sich mit 13,4 g/dl im Normalbereich. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass Sportlerinnen denselben Ferritin-Grenzwert wie Nicht-Sportlerinnen besitzen sollten, welcher bei Patientinnen unter 16 Jahren bei 20 µg/l  und über 16 Jahren bei 30 µg/l. Im Fall der 14-jährigen Patientin erfolgt eine Eisensubstitution mit Maltofer-Tropfen.

Relatives Energiedefizit-Syndrom (RED-S)

Es folgt eine weitere gynäkologische Beratung im Alter von 20 Jahren. Die Patientin konzentriert sich inzwischen auf mittlere Distanzen von 1500 bis 5000 m und trainiert 15-25 Stunden die Woche. Sie leidet seit 2 Jahren an einer Amenorrhoe und hat an Gewicht verloren, wiegt jetzt nur noch 52 kg bei einer Größe von 1,70 cm (BMI 18,0). Die Patientin leugnet allerdings eine Essstörung und beteuert, dass es ihr gut geht. Ein Hormonstatus weist tiefe Sexualhormone auf: E2 49 Pool/l, LH <0,5 U/l, FSH 3,5 U/l, normaler TSH, DHEAS, PRL und ein Gestagen-Test erweist sich als negativ. Aufgrund der lang andauernden Amenorrhoe wird zusätzlich eine DEXA-Messung durchgeführt, bei der sich eine altersbedingt geringe Knochendichte zeigt, Z-Score = -1,6. Die Befunde weisen auf einen verminderten Energiezustand hin (Abb. 1) [2].

Wird der durch das Training bedingte erhöhte Energie- und Nährstoffverbrauch wegen einer Essstörung nur ungenügend abdeckt, so kann dies zu Zyklusstörungen und Osteoporose führen. Liegen Essstörung, Zyklusstörung und Osteoporose gleichzeitig vor, werden sie als «Female Athlete Triad» (FAT) bezeichnet und stellen einen Zustand dar, der sich langfristig negativ auf die Gesundheit auswirken kann. In einigen Sportarten schränken Athletinnen ihre Energiezufuhr bewusst ein, um eine bessere Leistung zu erbringen. Bei einem wiederholt vorhandenen Energiedefizit spricht man deshalb vom «Relativen Energiedefizit-Syndrom» (RED-S). Um die Leistungsfähigkeit der Patientin zu erhalten wird eine minimale Gewichtszunahme sowie eine Ernährungsberatung empfohlen. Ebenso ist die Einbeziehung des Coaches unerlässlich. Es sollte eine regelmässige Kontrolle von Kalzium und Vitamin D erfolgen und eine erneute Konsultation nach spätestens 6 Monaten. 

Empfängnisverhütung auf individuelles Profil abstimmen

Die Patientin kommt mit 25 Jahren erneut zur gynäkologischen Beratung, um sich über die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung zu informieren. Sie läuft mittlerweile Triathlon, trainiert weiterhin 15-25 Stunden die Wochen und wiegt jetzt 61 kg. Ihre Menstruation kommt seit drei Jahren regelmässig und sie weist einen normalen Z-Score bei der DEXA-Messung auf. Die Art der Empfängnisverhütung ist vom individuellen Profil der Athletin abhängig. In die Entscheidung sollten vor allem die Sportart und die Merkmale des Zyklus, sprich prämenstruale Problematiken und das Volumen der Menstruation, sowie das persönliche Wohlbefinden einbezogen werden. Insbesondere die hormonelle Verhütung kann eine leichte bis triviale negative Wirkung auf die Muskelmasse und die Kraft der Athletin haben, da das körpereigene Östrogen auf ein sehr tiefes Level absingt. Dr. Matter Brügger empfiehlt deshalb die Verwendung von Intrauterine Devices (IUD) (Tab. 1) [3].

Sport und Schwangerschaft

Es erfolgt eine weitere gynäkologische Beratung mit 33 Jahren. Die Patientin ist inzwischen in der 12. Schwangerschaftswoche und möchte sich über das Training während und nach der Schwangerschaft informieren. Wichtigste Voraussetzung für die Weiterführung des Trainings ist ein komplikationsfreier Verlauf der Schwangerschaft. Bei einer komplikationsfreien Schwangerschaft empfiehlt es sich, das Training auf ca. 50% zu reduzieren. Die Intensität des Trainings sollte vom Wohlbefinden der Athletin abhängig gemacht werden. Es sollte auf ausreichend Energie- und Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, die Körpertemperatur sollte unter 39 Grad bleiben, Sportarten mit Sturz- und Schlagrisiko sollten vermieden werden, es sollten keine Übungen auf dem Rücken nach dem vierten Monat bei Auftreten von Schwindel in Rückenlage durchgeführt werden und in keinem Fall sollte eine Überschreitung der maximalen Herzfrequenz >90% erfolgen, weil dadurch die Durchblutung der Plazenta abnehmen kann. Aus diesem Grund sollte auch von Wettkämpfen während der Schwangerschaft abgeraten werden. 

Nach der Schwangerschaft besteht oft ein grösseres Problem, da sich die Athletin aufgrund ihres guten Herz-Kreislauf-Systems ziemlich schnell wieder fit fühlt. Auch der Beckenbocken ist in manchen Fällen recht schnell wieder stabil, was Voraussetzung für den Wiedereinstieg ins Training ist, da der Beckenbogen besonders beim Lauftraining kontrahiert werden muss. Allerdings besteht ein erhöhtes Verletzungsrisiko durch eine erhöhte Dehnbarkeit der Bänder und Sehnen, was eine verminderte Stabilität der Gelenke verursacht und eine vorübergehend reduzierte Knochendichte. Eine Wiederaufnahme des Trainings sollte daher nur in Absprache mit einer medizinischen Fachperson erfolgen. Es empfiehlt sich ein allmählicher Anstieg, beginnend mit geringer Schlagfestigkeit und Fokus auf den Beckenbodenmuskel. 

Quelle:

1. Dr. med. Sibylle Matter Brügger: Gynäkolgische Begleitung von Sportlerinnen. Vortrag Jahreskongress gynécologie suisse 2021, 24.06.2021.

2. Matter Brügger, S., Noack, P. & Flück, J.: Welchen Einfluss hat der Menstruationszyklus auf mein Training. https://www.swissolympic.ch/dam/jcr:9082c632-0d4f-427b-86ef-0fa8d2c8b04f/SwissOlympic-FS_SS+F_Mens-de_A4q.pdf.

3. Matter Brügger, S. & Neuenschwander, M.: Zyklus und Leistungssport. Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin & Sporttraumatologie 68.4 (2020).

Isabell Bemfert

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