Anlässlich einer Geburt wird der Beckenboden der Frau stark gedehnt. Die Folgen sind Nervenschäden und Muskelschwäche, die zu Blasen- und Darmvorfall, Gebärmuttersenkung, Harninkontinenz und bei Verletzungen des Afterschliessmuskels zu Stuhlinkontinenz führen können. Netzgestützte Therapien bieten bisher den besten Halt um die stützenden Strukturen wiederherzustellen, die guten anatomischen Resultate wurden allerdings schnell durch zu hohe Reoperationsraten relativiert.

Der pubovisceral Muskel, welcher vom Os pubis bis zu den Organen verläuft, wird während der vaginalen Entbindung um ein 3,2-faches gedehnt. Da Muskelzerrungen bereits ab einer 2,5-fachen Dehnung auftreten, verursacht eine vaginale Geburt allein am Muskel Levator ani bei 15-35% der Gebärenden Muskelläsionen [2]. Die Levator ani Avulsionen betragen im Jahr etwa 11.000, Muskelverletzungen, die nicht versorgt werden. Kompensatorisch können diese Verletzungen über einen längeren Zeitraum getragen werden, mit zunehmendem Alter geben die stützenden Strukturen im Bereich des Beckens jedoch nach, wodurch ein Beckenorganprolaps wahrscheinlicher wird. Eine Studie aus den Vereinigten Staaten zeigt, dass das «Lifetime risk» einer Prolapse Operation bei Frauen bis zum Jahr 2050, aufgrund des demografischen Wandels, um 30% ansteigen wird [3].

Chirurgische Reparaturtechniken

Die Behandlung des Beckenorganprolapse erfolgt in der Regel chirurgisch, mit dem Ziel, die Anatomie der die Beckenorgane stützenden Strukturen wiederherzustellen. Die chirurgischen Reparaturtechniken werden, wenn nur Beckenorgan-Stützgewebe verwendet werden, als «Native Tissue Repair» (NTR) klassifiziert und als «Augmented Repair» (AR), wenn ein anderes Material verwendet wird, um das defekte Stützsystem zu verstärken. Die Erfolgsrate der NTR liegt mit 30-100% bei einer großen Spannbreite. Bei den wiederkehrenden Prolapsen hingegen hat sich gezeigt, dass NTR nur noch mit 50% erfolgreich sind [4]. Die scheinbar nicht befriedigenden Resultate der NTR haben 2004 die Entwicklung sogenannter transvaginaler Mesh Kits gefördert, synthetischen Netze, die die Wände der Vagina stützen sollen. Diese fanden schnell eine große Verbreitung und ergaben auch ein besseres anatomisches Ergebnis. Studien zeigen allerdings, dass Frauen die Lebensqualität mit Mesh Kit nicht als besser beurteilen, was ein besseres funktionelles Ergebnis einschränkt [5]. 

Transvaginale Meshes

Die polypropylen Netze haben sich aus chirurgischen Netzen entwickelt, die ursprünglich zur Reparatur von Bauchhernien verwendet wurden. Das Gewebe sollte unter anderem zu einer Fibroblastenvermehrung, der Proliferation von Blutgefäßen sowie zu einer Kollagensynthese und -reifungsvernetzung führen. Die guten anatomischen Resultate wurden allerdings schnell durch zu hohe Reoperationsraten, auch aufgrund von Komplikationen, relativiert. Mesh-Erosionen sind die häufigste Komplikation nach vaginalen Netzeinlagen und betragen in der Primärsituation bis zu 19%. 

Um die Erosionsraten zu verringern, wurden schliesslich kollagenbeschichtete Meshs eingeführt. Diese verbesserten die Lebensqualität der behandelten Patientinnen allerdings nicht. Die Erosionsrate sank mit 13,3% zwar, lag aber dennoch sehr hoch. Und auch die anderen Faktoren, wie beispielsweise Inkontinenz, Restharnbildung, etc. waren vergleichbar mit dem NTR [6]. Auch im Langzeitverlauf zeigte sich kein Unterschied in der Patientenzufriedenheit im Vergleich zu NTR, obwohl die kollagenbeschichteten Meshs länger hielten. Was wiederrum mit der Erosionsrate erklärt werden kann [7]. Da der NTR in der Rezidiv Situation ungünstigere Zahlen aufweist als transvaginale Meshes, wurden diese schliesslich bei Rezidiv Patientinnen eingesetzt. Es zeigte sich, dass die Erosionsrate im anterioren Bereich etwas besser ausfällt als im posterioren Bereich. Darüber hinaus spielt die Learning-Curve bei der Verwendung von Meshes eine Rolle, was sich sowohl in den Rezidiv- als auch Erosionsraten bemerkbar macht (Tab. 1) [8]. 

Aufgrund der dennoch hohen Mesh Erosionsrate untersuchte eine weitere Studie im Tierversuch, wie sich das Netz integriert. Hierzu wurde beobachtet, ob die Vergrösserung eines Polypropylen-Prolaps-Netzes mit einem regenerativen extrazellulären Matrixtransplantat in einem Primaten-Sacrokolpopexie-Modell die degenerativen Veränderungen mildern könnte. Darüber hinaus wurde die Auswirkung des extrazellulären Matrixtransplantats auf die Vagina bei alleiniger Implantation bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass eines der Prototypen des Prolaps-Netzes sich negativ auf die Vagina auswirkt, indem es eine Abnahme des Volumens der glatten Muskulatur und der Kontraktilität sowie den Abbau wichtiger Strukturproteine, wie Kollagen und Elastin induzierten, was zu einer vaginalen Degeneration führte [9]. Der Grund für die Netzerosionen sind Fibrosen, die durch Polypropyle Meshes verursacht werden und inflammatorische Zellen hervorrufen [10]. Je leichter die Netze sind (<30gr/m²), umso weniger Erosionen treten auf [10]. 

Kontroverse um den Einsatz von transvaginalen Meshes

2016 hat die U.S. Food and Drug Administration (FDA) vaginale Netze als Risikoklasse drei eingestuft. Das Einlegen der Netze ist seitdem nur noch durch Spezialisten möglich. In England sind transvaginale Netze seit 2017 nur noch zu Forschungsindikationen freigegeben. 2018 folgte eine Verschärfung, nach der alle Schlingen und transvaginalen Netze verboten wurden. Auch die FDA verhängte 2019 ein Verkaufsverbot von transvaginalen Netzen. Seit 2020 werden transvaginale Netze in Frankreich, England und Italien nur noch in Studien erlaubt. In Frankreich wird darüber hinaus jedes Produkt erfasst, es folgen Fortbesprechungen in multidisziplinären Teams und jeder Chirurg muss eine gewisse Anzahl von Eingriffen vornehmen. Bei Komplikationen erfolgt eine Behandlung in Referenzzentren. 

Nach wie vor fehlt es weiterhin an aktuellen und wissenschaftlich geprüften Informationen zum Einsatz transvaginaler Netze. Langfristig objektive und subjektive Ergebnisse können lediglich aufgrund einer langen Nachbeobachtungzeit erfolgen, wie eine Studie zur Fixation des Iliococcygeus zur Behandlung des apikalen Vaginalprolaps zeigt. Nach zehn Jahren Nachbeobachtung scheint die Fixation des Iliococcygeus eine sichere und wirksame Option zur Behandlung des Scheidengewölbevorfalls zu sein [11]. Eine weitere Studie zeigt den Vergleich einer laparoskopischen Sakrohysteropexie (LSH) mit einer vaginalen sakrospinösen Hysteropexie (SSHP). Die LSH war der SSHP beim chirurgischen Versagen des apikalen Kompartiments nach 12 Monaten nicht unterlegen. Nach der LSH traten störende Symptome einer überaktiven Blase und Stuhlinkontinenz allerdings häufiger auf, Dyspareunie jedoch seltener [12]. Die Hauptrisikofaktoren für Netzerosionen nach laparoskopischer Versorgung eines Beckenorganvorfalls ist laut einer Studie aus dem Jahr 2016 die Verwendung ungeeigneten Netzmaterials. Die Verwendung eines makroporösen Netzes mit entweder multifilen oder mikroporösen Komponenten anstelle eins makroporösen und monofilen Netzes erhöht, neben der Identifizierung spezifischer Patientenmerkmale wie zu Beispiel Tabakkonsum, das Risiko einer Netzerosion. Da die konventionelle Vaginalchirurgie für die Behandlung des hinteren Kompartiments wirksam ist, muss die Verwendung von posterioren Netzen während der laparoskopischen Beckenbodenreparatur allerdings in Frage gestellt werden [13].

Darüber hinaus wurde die Sexualfunktionsstörung nach Prolaps-Korrektur in verschiedenen Studien untersucht. Sexuelle Funktionsvergleiche sind am robustesten zwischen transvaginalen synthetischen Netzen und nativen Gewebereparaturen und zeigen eine ähnliche Prävalenz von sexueller Aktivität, de novo Dyspareunie und sexuellen Funktionswerten. Die totale Dyspareunie ist nach transvaginalen synthetischen Netzen höher als nach Sakrokolpopexie. Obwohl die Daten zur Sexualfunktion in den anderen Vergleichen spärlich sind, wurden keine anderen Unterschiede in der sexuellen Aktivität, Dyspareunie und der Veränderung des Sexualfunktions-Scores gefunden [14].

Empfehlungen/Guidelines

Alle Guidelines empfehlen eine Patientenberatung unterstützt durch Daten zu Erfolgsraten und Komplikationen. Die meisten Leitlinien betonten die Bedeutung eines spezialisierten erfahrenen Chirurgen, multidisziplinären Teams und nationalen/internationalen Registern zur Erfassung von Komplikationen. Und obwohl das Mesh kritisch beäugt wird, werden in allen Leitlinien auch mögliche Vorteile der Verwendung von Maschengittern genannt [15]. Dr. med. Cornelia Betschart Maier, Leitende Ärztin der Gynäkologie am Universitätsspital Zürich, gibt zu bedenken, dass solange der Defekt nicht dort repariert wird, wo er entsteht, nämlich im Gebärsaal, werden wir auf gewisse Techniken angewiesen sein. Die Mesh-Forschung sei daher wichtig und ihre Entwicklung wird wahrscheinlich Richtung biologischer Netze gehen, sodass es nicht zu einer Abwehr oder Fibrosen kommt. So lange werden NTR als sicheres Erstwahlverfahren gewählt werden [16].

Quelle: 

1. PD Dr. med. Cornelia Betschart Maier: Der Schwerkraft erfolgreich begegnen – Die Zukunft der Meshchirurgie beim Prolaps. Vortrag Jahreskongress gynécologie suisse 2021, 24.06.2021.

2. Kearney, R. et al.: Obstetric factors associated with levator ani muscle injury after vaginal birth. Obstet Gynecol 2006; doi: 10.1097/01.AOG.0000194063.63206.1c.

3. Wu, J. et al.: Forecasting the prevalence of pelvic floor disorders in U.S. Women: 2010 to 2050. Obstet Gynecol 2009; doi: 10.1097/AOG.0b013e3181c2ce96.

4. Maher, C.: Anterior vaginal compartment surgery. Int Urogynecol J 2013; doi: 10.1007/s00192-013-2170-3.

5. Delroy, C. et al.: The use of transvaginal synthetic mesh for anterior vaginal wall prolapse repair: a randomized controlled trial. Int Urogynecol J 2013; doi: 10.1007/s00192-013-2092-0.

6.Rudnicki, M. et al.: Anterior colporrhaphy compared with collagen-coated transvaginal mesh for anterior vaginal wall prolapse: a randomised controlled trial. BJOG 2014; doi: 10.1111/1471-0528.12454.

7. Rudnicki, M. et al.: A 3-year follow-up after anterior colporrhaphy compared with collagen-coated transvaginal mesh for anterior vaginal wall prolapse: a randomised controlled trial. BJOG 2016; doi: 10.1111/1471-0528.13628.

8. Ow, L. et al.: Native tissue repair or transvaginal mesh for recurrent vaginal prolapse: what are the long-term outcomes? Int Urogynecol J 2016; doi: 10.1007/s00192-016-3069-6.

9. Liang, R. et al.: Extracellular matrix regenerative graft attenuates the negative impact of polypropylene prolapse mesh on vagina in rhesus macaque. Am J Obstet Gynecol 2017; doi: 10.1016/j.ajog.2016.09.073.

10. Smith, T. et al.: Pathologic evaluation of explanted vaginal mesh: interdisciplinary experience from a referral center. Female Pelvic Med Reconstr Surg 2013; doi: 10.1097/SPV.0b013e31829996e2.

11. Serati, M. et al.: Ten years’ follow-up after iliococcygeus fixation for the treatment of apical vaginal prolapse. Int Urogynecol J 2021; doi: 10.1007/s00192-020-04598-6. 

12. van IJsselmuiden, M. et al.: Hysteropexy in the treatment of uterine prolapse stage 2 or higher: laparoscopic sacrohysteropexy versus sacrospinous hysteropexy-a multicentre randomised controlled trial (LAVA trial). BJOG 2020; doi: 10.1111/1471-0528.16242.

13. Dällenbach, P. et al.: Incidence and risk factors for mesh erosion after laparoscopic repair of pelvic organ prolapse by lateral suspension with mesh. Int Urogynecol J 2016; doi: 10.1007/s00192-016-2974-z.

14. Antosh, D. et al: Sexual function after pelvic organ prolapse surgery: a systematic review comparing different approaches to pelvic floor repair. Am J Obstet Gynecol 2021; doi: 10.1016/j.ajog.2021.05.042.

15. Tsiapakidou, S. et al.: CHORUS: An International Collaboration for Harmonising Outcomes, Research, and Standards in Urogynaecology and Women’s Health. https://i-chorus.org

16. Karlovsky, M. et al: Biomaterials for pelvic floor reconstruction. Urology 2005; doi: 10.1016/j.urology.2005.03.006. 

Isabell Bemfert

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