Wie altert unsere Haut und wie wirksam sind Anti-Aging-Produkte? Hält die Werbung, was sie verspricht? Dr. med. Tatjana Pavicic, Expertin in diesem Bereich, gibt im Interview Auskunft und überblickt die Evidenzlage.

Frau Dr. Pavicic, welche intrinsischen und extrinsischen Faktoren und Prozesse sind für die Hautalterung verantwortlich? In welchen Bereichen ist somit eine Beeinflussung allein schon durch Lebensstil möglich, in welchen nicht?

Dr. Pavicic: Wie es der Begriff schon andeutet, lässt sich der intrinsische oder genetisch bedingte Alterungsprozess kaum beeinflussen und ist alleine auch schwer beobachtbar, da die meisten Stellen unserer Haut ja Umweltfaktoren ausgesetzt sind. Gut 90% unserer sichtbaren Hautalterung haben wir also ex­trinsischen Faktoren zu verdanken. In einigen ­Fällen lässt sich die «rein» intrinsische Hautalterung vermutlich noch am ehesten am Gesäss beobachten (fehlende Sonnenexposition), weshalb sich entsprechende Studien dann häufig darauf beschränken.

Da der intrinsische Hautalterungsprozess an unterschiedlichen Stellen des Körpers also in unterschiedlich starkem Ausmass von der extrinsischen Hautalterung überlagert wird und die Prozesse parallel verlaufen, müssen beide zusammen betrachtet werden. Im Zentrum stehen die sog. freien Sauerstoffradikale, welche den Alterungsprozess der Haut (natürlich aber auch anderer Organe und letztlich des gesamten Organismus) vorantreiben. Sie führen zu einer Steigerung der Matrix-Metalloproteinasen (insbesondere MMP1 und 2) und damit zu einem gesteigerten Abbau und verminderten Aufbau von kollagenen und elastischen Fasern. Umwelt- und lifestylebedingte, d.h. extrinsische Faktoren, die in speziellem Masse dazu beitragen, sind UV-Exposition (vor allem UV-B) und Rauchen. Hinzu kommen Umwelt­noxen wie Luftverschmutzung sowie Alkoholkonsum, bestimmte Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten und Stress. Das Ergebnis eines komplexen Wechselspiels zwischen proinflammatorischen genetischen, umweltbedingten und Lebensstilfaktoren wird heute auch mit dem Konzept des «Inflammagings» (Entzündungs­altern) beschrieben.

Welche klinischen Charakteristika weist eine ge­­alterte Haut auf (Volumen, Elastizität, Spannkraft, Feuchtigkeit, Pigmentierung, Faltenbildung etc.)?

Natürlich unterscheidet sich die Beschaffenheit der Haut je nach Lokalisation und die intrinsische und ex­trinsische Hautalterung überlagern sich, wie erwähnt. Vereinfacht lässt sich sagen: Die intrinsische Hautalterung bewirkt, dass die Haut dünner, zigarettenpapierartiger, weisslich wird mit feinen Knitterfältchen und gleichmässiger Pigmentierung (keine grossen Pigmentflecken). Sie ist nicht rau, sondern eher fein bzw. fragil. Die extrinsische Hautalterung hingegen bewirkt eher grobe Falten und starke Pigment­unterschiede (Altersflecken, Melasma). Die Haut ist rau, das Stratum corneum ist verdickt, histologisch sind die Reteleisten nicht mehr so schön ausgebildet. Die Haut ist verletzlicher und heilt schlechter. Da das Netz aus kollagenen und elastischen Fasern nachlässt und auch der Hyaluronsäuregehalt in der Haut zurückgeht, kann Feuchtigkeit schlechter gespeichert werden. Die Haut verliert an Elastizität und ist weniger prall. Hinzu kommt in beiden Fällen eine verminderte Talg- und Schweiss­drüsenaktivität, was die Haut zusätzlich austrocknen kann.

Wie reinigt und pflegt man solche Haut?

Obwohl ich auch ältere Patienten habe, deren Haut immer noch relativ fettig ist (das muss vorher also bei einem Dermatologen oder fachkundigen Apotheker abgeklärt werden), braucht die alternde Haut im Normalfall mehr Feuchtigkeit und Lipide. Meist werden deshalb reichhaltige, d.h. lipidreiche Emulsionen mit Zufuhr von wasserbindenden Komponenten wie Glycerin, Harnstoff etc. zur Pflege empfohlen. Generell sind bei der Reinigung und Pflege der Altershaut schonende Produkte zu verwenden (milde Tenside etc.), da die alternde Haut wie gesagt verletzlicher ist und weniger schnell heilt. Auf Konservierungs- und Duftstoffe sollte verzichtet werden.

Je nach Körperregion läuft der Reinigungs- und Pflegeprozess etwas unterschiedlich ab: Das Gesicht ist meist stärker der UV-Strahlung ausgesetzt, was die solare Elastose fördert. Ältere Personen mit einem verdickten Stratum corneum (einem richtiggehenden «Panzer» an den Wangen etc.) profitieren primär häufig gar nicht von lipidreichen Cremes, denn das Produkt dringt nicht richtig ein. Dementsprechend kann bei der typischen, durch die Sonne gealterten, derben Haut im Gesicht auch eine Reinigung im Sinne eines Peelings mit Fruchtsäure, Milchsäure, Salicylsäure (oder einer Mischung dieser Komponenten in niedriger Konzentration, je nach Hauttyp) bzw. einer Reinigungsmaske/-gels dazugehören. Die abgestorbenen Hautzellen werden so erst einmal entfernt, damit überhaupt etwas eindringen kann. Bei sehr trockener oder empfindlicher Haut, wo ein Peeling nicht angezeigt ist, kommt eher milde Reinigungsmilch oder -lotion zum Einsatz. Die Reste der Reinigungsmittel müssen danach jeweils entfernt resp. der natürliche pH-Wert der Haut muss wiederhergestellt werden. Erst dann gibt man entsprechend dem Hauttyp Pflegeprodukte mit wasserbindenden Komponenten, Lipiden etc. zu.

Die Reinigung des restlichen Körpers mit atrophischer, trockener Haut findet in Form von milden rückfettenden Dusch-/Badeölen (und dann auch nicht jeden Tag) statt. Auf normale Seifen sollte verzichtet werden. Der Pflege danach dienen wie erwähnt rückfettende, feuchtigkeitsspendende Emulsionen mit Glycerin, Urea, Phytosterole, Panthenol, Jojoba usw.

Nebst Kosmetika, die sich auf den Bereich der Reinigung und Pflege beschränken, gibt es das weite Feld der Anti-Aging-Produkte: Die Industrie ist mit griffigen Wortschöpfungen und Produkten im Bereich der Antioxidanzien, die den Körper vor freien Radikalen, die oxidativen Stress verursachen, schützen sollen, jeweils rasch bei der Hand. Begriffe wie «oxidativer Stress», «Antioxidanzien», «freie Radikale» sind dadurch im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen. Sie sind Expertin in der Beurteilung der Evidenz von Dermokosmetika und haben in der Erstellung verschiedener Leitlinien mitgewirkt.

Was meinen Sie, wie (und wie gut) wirken sog. Anti-Aging-Produkte, also Antioxidanzien/Zellregulatoren wie Retinol, Vitamin C/E, Peptide etc.?

Zu einigen Wirkstoffen gibt es placebokontrollierte, doppelblinde In-vivo-Studien in ausreichend grossen Studienpopulationen – der Goldstandard der Evidenz. Nur damit kann sichergestellt werden, dass die Effekte z.B. auf die Faltenbildung wirklich durch die Prüfstoffe und nicht nur von der oben genannten feuchtigkeitsspendenden Pflege mit Glycerin etc. herrühren. Zu diesen Kategorie IA-Wirkstoffen gehören Anti­oxidanzien (Radikalfänger) wie Vitamin C oder Alpha-Liponsäure, aber auch Zellregulatoren wie der «Klassiker» Vitamin A (Retinol) und Peptide (Hexapeptide, Pentapeptide, Tetrapeptide, ­Tripeptide, Dipeptide). Zu den beiden letztgenannten existieren sehr viele Studien, sie gehören zu den potentesten Anti-Aging-Mitteln. Retinol ist vor allem bei nicht zu trockener Haut zu empfehlen. Liegt eine solche vor, stellen Peptide eine dankbare Alternative dar, sie haben ein gutes Penetrations-, aber kaum Irritationspotenzial.

Im Alltag stellt sich auch bei diesen gut untersuchten Anti-Aging-Dermokosmetika das Problem, dass die inhaltliche Zusammensetzung solcher Produkte gemäss INCI-Nomenklatur zwar in mengenmässig absteigender Reihenfolge, aber ohne genaue Konzen­trationswerte angegeben werden muss. Wir wissen also nicht immer, ob die gekauften Produkte auch tatsächlich die in Studien erfolgreich geprüften Mengen des Wirkstoffs enthalten. Bei Vitamin A ist die gesetzliche Höchstmenge in freiverkäuflichen Dermokosmetika ausserdem je nach Land höchst unterschiedlich festgelegt. Hier zeigt sich ein grundsätzliches Dilemma der Kosmetikindustrie: Ein Anti-Aging-Produkt soll zwar Falten glätten, darf – wenn es als freiverkäuflich eingestuft und nicht dem aufwendigen Bewilligungsprozedere für Arzneimittel unterworfen werden soll – aber nicht zu potente Wirkstoffe enthalten, d.h. soll weitgehend «harmlos» sein. Daneben ist auch die Stabilität ein möglicher Fallstrick in der alltäglichen Praxis: Beispielsweise ist Vitamin C als das am weitesten verbreitete und am besten geprüfte Antioxidans (natürlich) leicht oxidierbar. Wenn es zu lange im Badezimmer herumsteht oder nicht in entsprechenden Grundlagen stabilisiert ist, wird nach drei Wochen kaum mehr ein positiver, unter Umständen sogar durch die Abbauprodukte nunmehr ein irritierender Effekt vorhanden sein.

Zu Vitamin E und Niacinamid (Vitamin B3) gibt es zwar keine Studien mit placebokontrolliertem, doppelblindem Design, aber doch Wirksamkeitsnachweise in In-vivo-Untersuchungen mit objektivierbaren Methoden, was gemäss unserer Leitlinie der Kategorie IB entspricht. Die Kombination der antioxidativ wirksamen Vitamine E und C in Dermokosmetika ist sinnvoll. Vitamin B3 wirkt vermutlich nicht nur gegen Falten, sondern auch bei unerwünschten Pigmentierungen.

Coenzym Q10 hat ebenfalls antioxidatives Potenzial. Das Problem ist derzeit, dass es bei äusserer Auftragung in ungenügender Konzentration in der Haut ankommt. Momentan wird es unter Kategorie II (In-vitro-Studien) geführt.

Niedermolekulare Hyaluronsäure sollte in Dermokosmetika vorzugsweise mit hochmolekularer Hyaluronsäure kombiniert werden – erstere geht etwas tiefer und hat einen eigentlichen Anti-Aging-Effekt (Kategorie IA), zweitgenannte bewirkt einen Feuchtigkeitsfilm oben auf der Haut (durch die Fähigkeit, grosse Mengen an Wasser zu binden).

Wie empfehlenswert sind pflanzliche Produkte (Phytotherapie im Zusammenhang mit Altershaut)?

Im Alter kommt es bei Frauen durch den Östrogenmangel zu Änderungen der Hautphysiologie (erniedrigte Hormonwerte in der Menopause führen zu trockener Haut). Bei postmenopausalen Frauen verwendet man deshalb gerne die sog. Phytohormone (z.B. Isoflavone wie Genestein und Daidzein), zu denen es In-vivo-Studien gibt (Kategorie IB). Sie sind pflanzlicher Herkunft, weisen aber eine chemische Strukturverwandtschaft zu «echten» Hormonen auf. Allerdings muss man ehrlicherweise sagen, dass die meisten Patientinnen ihre Haut schon vor der Menopause durch die anderen genannten externen Einflussfaktoren derart geschädigt haben, dass der Effekt des Klimakteriums wahrscheinlich nicht mehr allzu stark ins Gewicht fällt. Direkte Wirksamkeitsvergleiche zu Retinol existieren nicht.

Nebst Phytohormonen werden auch antioxidativ wirksame pflanzliche Polyphenole (Kategorie II) wie z.B. Epikatechin, das in Grünteeextrakten vorkommt, und zahlreiche weitere in Anti-Aging-Cremes eingesetzt.

Verlassen wir die topischen Ansätze und kommen zum Thema Ernährung und Hautalterung. Inwiefern übt die Ernährung einen Einfluss auf die Haut(alterung) aus und was halten Sie von Nahrungsergänzungsmitteln, also systemischen Anti-Aging-Ansätzen?

Wie wir gesehen haben, können topische Anti-Aging-Ansätze mit Dermokosmetika durchaus wirksam und sinnvoll sein. Ihr Einsatz erfolgt meist stufenweise, d.h. zuerst Antioxidanzien ab Mitte 20/Anfang 30, dann ab ca. 40 Lebensjahren oder je nach Hauttyp schon früher Zellregulatoren hinzunehmen und Sonnenschutz konsequent seit Kindheit. Übrigens zählt beim Sonnenschutz nicht nur der Lichtschutzfaktor, UVB- und UVA-Filter usw. – auch der Hauttyp ist in die Produktwahl miteinzubeziehen (z.B. wird jemand mit fettiger Haut eine Creme nicht konsequent nehmen, sondern braucht ein Sonnenschutzmittel auf Gel-Basis).

Beim systemischen Anti-Aging hingegen bin ich vorsichtiger und setze eher auf natürliche Ansätze, d.h. genügend Vitamine aus natürlichen Quellen wie Früchte und Gemüse zu sich nehmen, frisch und vielseitig kochen, auf eine genügende Wasserzufuhr achten etc. Nahrungsergänzungsmittel sind bei einem solchen Lebensstil eigentlich nicht zusätzlich nötig. Wenn der Körper Stoffe schlecht aufnimmt, z.B. bei Darmerkrankungen etc., kann man natürlich über eine Substitution nachdenken.

Welche Hautkrankheiten und -probleme treten im Alter denn eigentlich generell häufiger auf?

Am Körper ist tatsächlich das Trockenheitsekzem (Exsikkationsekzem) am weitesten verbreitet. Mit der trockenen Haut und schlechteren Heilungsfähigkeit gehen häufig Venenprobleme und damit offene Beine und Ulzera einher. Mit Urea, Phytosterol, Panthenol etc. kann hier sehr viel erreicht werden. Wenn es zu Entzündungen kommt, ist es wichtig, dass die Patienten schnell ärztliche Hilfe aufsuchen. Der Entzündungsprozess und damit auch der Teufelskreis aus Jucken, Kratzen, weiterer Einführung von Bakterien, Superinfektionen etc. muss früh unterbrochen werden. Wenn ein Ekzem dann abgeheilt ist, müssen sich die Patienten weiter täglich gut pflegen und eincremen.

Im Gesicht und insbesondere auf den «Sonnenterrassen» wie Stirn/Glatze oder Nase beobachtet man den kumulativen Schaden, den äussere Faktoren wie die UV-Strahlung über die Lebenszeit angerichtet haben – die aktinische Keratose, aber auch verschiedenste Pigmentierungen, inkl. Lentigo maligna usw.

Interview: Andreas Grossmann

DERMATOLOGIE PRAXIS 2018; 28(4): 8–10

Dr. med. Tatjana Pavicic

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