Den elektronischen Impfausweis gibt es in der Schweiz schon seit zehn Jahren, richtig durchsetzen konnte er sich bislang jedoch nicht. Die COVID-19-Pandemie hat für einen unverhofften, späten Wachstumsschub gesorgt. Bis die Plattform am 23. März 2021 vom Netz ging – wegen Bedenken zum Datenschutz.

Seine Impfungen auf meineimpfungen.ch zu registrieren und somit im Besitz eines elektronischen Impfausweises zu sein, das ist theoretisch bereits seit 2011 möglich. Genutzt wurde das Angebot über viele Jahre allerdings nur wenig. 2018 lag die Zahl der elektronischen Impfbüchlein trotz Sensibilisierungskampagne in den Arztpraxen bei mageren 150’000 [1]. Die Corona-Impfung hauchte dem Projekt neues Leben ein – von Januar bis März stiegen die Nutzerzahlen nämlich rapide an [2]. Wenigstens hinsichtlich seines Zieles, die elektronische Impfdokumentation zur Norm zu machen, spielte die Pandemie dem Bundesamt für Gesundheit(BAG) also in die Karten. Die Vorstellung, dank elektronisch dokumentierter Corona-Impfung bald schon Zugang zu Konzerten, Fitness-Centern oder fremden Ländern zu haben, mag den einen oder anderen zur Registrierung auf meineimpfungen.ch motiviert haben. Bis am 23. März 2021 kein Zugriff auf die Plattform mehr möglich war, aus Datenschutzgründen oder aufgrund einer «dringenden Wartung», wie es auf der Website hiess.

Ein Blick hinter die Kulissen

Hinter meineimpfungen.ch steht die gemeinnützige Stiftung meineimpfungen, deren Stiftungsrat sich aus drei Organisationen zusammensetzt. Vertreten sind die Universität Genf, die Ärztekasse und die Firma Arpage, die im Bereich eHealth tätig ist [3]. Finanziert wird das Projekt teilweise vom BAG und zu grossen Anteilen aus Spenden und von Sponsoren – auch aus der Pharmaindustrie, welche etwa 20% des Gesamtbudgets trägt [2]. Während Informationen zur Finanzierung schwer zugänglich sind, sticht beim Besuch der Website etwas sofort ins Auge: man fühlt sich umgehend zehn Jahre zurückversetzt.

Doch zeitgemässes Layout hin oder her, die Vorteile einer elektronischen Erfassung von Impfungen liegen auf der Hand und gehen weit über die Sicherstellung der Leserlichkeit hinaus. Ein elektronischer Impfausweis ist immer mit dabei und kann nicht verloren gehen, was unnötigen Doppel-Impfungen vorbeugt. Den Impfstatus auf Vollständigkeit zu überprüfen oder Impfanforderungen vor einer Reise abzuklären ist ein Leichtes. Nicht zuletzt kann der Aufwand für den Arzt durch ein effizienteres, automatisiertes Management mit Erinnerungsfunktionen reduziert werden. Genau dies verspricht auch meineimpfungen.ch – bei laut den Betreibern garantierter Datensicherheit.

Datenschutz im Visier

Nachdem bereits am Anfang des Jahres erste kritische Stimmen laut wurden, welche Bedenken zum Datenschutz äusserten, wurden die Vorwürfe Ende März so gross, dass die Betreiber die Plattform vom Netz nahmen. Zu hoch sei das Risiko falscher Impfnachweise, meinten IT-Experten [4]. Und der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger leitete ein Verfahren ein. Selbst wenn die Stiftung meineimpfungen weiterhin hinter ihrem Produkt steht, dürfte das Corona-bedingte Wachstum nun jäh gebremst werden. EIne rasche Reaktion zur Schliessung der Sicherheitslücken ist wohl unabdingbar für das Überleben der Plattform und wird den Image-Schaden höchstens noch abfedern können.

Neben Datenschutzproblemen sorgen auch die Zusammensetzung des Stiftungsrats und die intransparente Finan­zierung derzeit vielerorts für rote Köpfe. Denn von Patienten- und Konsumentenschützern fehlt hier jede Spur. Das gestrige Layout stellt somit ein vergleichsweise kleines Problem dar und die Aufgabenliste der Betreiber ist lang, wenn auf Basis der Applikation weitergearbeitet werden soll.

Unklare Zukunft

Der vom BAG schon lange propagierte elektronische Impfpass wurde in den Arztpraxen in den letzten Jahren mit Zurückhaltung aufgenommen. Mit der medialen Aufmerksamkeit, dem hohen Bedürfnis eines Impfnachweises im Rahmen der Pandemie und dem generellen Digitalisierungstrend steigt nun aber der Druck, ein entsprechendes Produkt anzubieten – sei es auf der Basis von meineimpfungen.ch oder eines alternativen Ansatzes. Die Erfahrung zeigt, dass ein solches Projekt ohne die Unterstützung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte schwierig werden könnte. Und um diese zu erhalten ist neben garantierter Sicherheit und Transparenz vor allem eines nötig: Benutzerfreundlichkeit. Denn mit der Einführung eines elektronischen Impfausweises entstehen für Praxen nicht nur viele Möglichkeiten, sondern auch Mehraufwände, zumindest – und idealerweise nur – initial.

Die Schulungen und Merkblätter von meine­impfungen.ch lassen es bereits vermuten: Auch hier besteht deutliches Verbesserungspotenzial. Einige Praxissoftwares verfügen zur Erleichterung der Arbeit immerhin bereits über Schnittstellen zum Import relevanter Daten.

So bitter der jähe Unterbruch des rapiden Wachstums der Plattform auch sein mag, so viele Chancen bietet er auch. Denn selbst wenn meineimpfungen.ch der Pandemie vorerst nicht standgehalten hat, so hat das Anliegen, einen sicheren und anwenderfreundlichen elektronischen Impfnachweis zu ermöglichen, dennoch wieder an Gewicht gewonnen. Durch die Sicherheitsbedenken entsteht die Möglichkeit, alternative Anbieter und Formen in Betracht zu ziehen und die etwas angestaubt anmutende Plattform einem ordentlichen Frühjahrsputz zu unterziehen – auch hinter den Kulissen. Wollen wir hoffen, dass der neue Fokus einen soliden Beitrag zur sicheren, längst überfälligen Digitalisierung im Gesundheits­wesen leisten kann.

Literatur:

  1. Medienmitteilung: Elektronischer Impfausweis: wachsende Nutzerzahl. Bundesamt für Gesundheit BAG. 23.04.2018.
  2. Wacker G: Impfung gegen Corona – Die Betreiber des elektronischen Impfpasses stehen in der Kritik. SRF Echo der Zeit. 08.01.2021.
  3. Renate B: Richtig und vollständig impfen. Pädiatrie. 2017.
  4. SRF Tagesschau vom  23.3.21

InFo ONKOLOGIE & HÄMATOLOGIE 2021; 9(2): 44 (veröffentlicht am 10.4.21, ahead of print)
DERMATOLOGIE PRAXIS 2021; 31(2): 32

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