Ein schlecht eingestellter Diabetes ist ein Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf. Deshalb ist gerade während der Coronapandemie eine möglichst gute Blutzuckereinstellung entscheidend. Es hat sich aber gezeigt, dass viele Patienten aus Angst vor einer Ansteckung Praxis- und Klinikbesuche vermeiden – dies sollte sich ändern. Ein interessanter Studienbefund gibt es zu DPP-4-Inhibitoren: bei hospitalisierten COVID-19 Patienten war Sitagliptin als additive Behandlung mit milderen Verlaufsformen assoziiert.

Eine gute glykämische Kontrolle der Diabetiker sei insbesondere in der Pandemie sehr wichtig, betonte Prof. Dr.med. Matthias Laudes, Bereichsleitung Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel (D), im Rahmen des Kongresses Diabetologie grenzenlos [1]. Bei einem schlecht eingestellten Diabetes ist das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf erhöht. Auch Adipositas stellt ein Risikofaktor dar. Bei den jüngeren COVID-Patienten auf der Intensivstation im Universitätsklinikum in Kiel handle es sich meistens um übergewichtige Menschen, berichtet der Referent. Dass Adipositas mit schwereren COVID-Verläufen assoziiert ist, lasse sich durch eine erhöhte Thromboseneigung bedingt durch den metabolischen Entzündungszustand erklären, so Prof. Laudes. Thrombosengerinnsel in kleinsten Blutgefässen können bei einer COVID-19-Erkrankung zum Organversagen führen.

Optimale Glukoseeinstellung während Coronapandemie besonders wichtig

Das Immunsystem scheint auf eine gute Insulinsensitivität angewiesen zu sein und erhöhte Insulinwerte steigern das Risiko für prothrombotische Ereignisse während einer Infektion. Es gibt aber auch noch einen anderen Grund. Bei Diabetikern ist die Aktivität des Angiotensin Converting Enzyms 2 (ACE-2) erhöht. Bekanntermassen nutzt SARS-CoV-2 das membranständige Enzym ACE-2, um in die Körperzellen zu gelangen [2]. Die Menge dieses Enzyms auf der Zelloberfläche korreliert mit dem Blutzuckerspiegel. Ist der Glukosespiegel zu hoch, befindet sich mehr ACE-2 auf der Zelloberfläche, sodass das Virus besser in die Körperzellen eindringen kann. «Deshalb ist für uns das Wichtigste in der jetzigen Zeit, den Diabetes gut einzustellen, damit die Menge dieses Proteins, das als Eintrittspforte dient, möglichst gering ist», fasst Prof. Laudes zusammen. «Je besser der Diabetes eingestellt ist, umso weniger ACE befindet sich auf den Körperzellen und desto geringer ist das Infektionsgeschehen einzelner Zellen», ergänzt der Referent. Eine optimale Diabetesbehandlung ist also gerade während der Coronapandemie essenziell (Tab. 1) [1,3]. Allerdings vermeiden viele Patienten Klinik­besuche aus Angst vor einer Ansteckung und dies kann negative Auswirkungen haben. «Wir müssen den Patien­ten die Angst nehmen, in die Praxen und Kliniken zu gehen, dort werden alle Hygienestandards eingehalten», führt Prof. Laudes aus. «Den Patienten muss klar sein, dass sie gerade in dieser Zeit besonders häufig in die ­Praxis kommen sollten, um eine perfekte Blutzuckereinstellung zu haben».

Welche Rolle spielt DPP-4?

Dass ACE-Hemmer keinen negativen Effekt auf den Verlauf einer COVID-Erkrankung haben,  weiss man aus Studien (Kasten). Bezüglich DPP-4-Inhibitoren, welche bei Diabetikern bekanntlich häufig eingesetzt werden, gibt es ebenfalls interesante Erkenntnisse und es sind Studien dazu im Gange, ob DPP-4-Inhibitoren in Zukunft als additive Substanzen zur Verbesserung der COVID-Verläufe eingesetzt werden können. Bereits seit Längerem wird diskutiert, ob das SARS-CoV-2-Virus nicht nur an ACE-2, sondern auch an DPP-4 bindet. Bisher konnte man diese Frage nicht abschliessend klären. Eine interessante Beobachtung sei aber, dass DPP-4 nicht nur auf der Zelloberfläche vorkommt, sondern auch in der Blutbahn kursiere, was man als sogenannt ‹lösliches DPP-4› bezeichnet. Bei einer Infektion könne das Virus nicht unterscheiden, ob das Protein zum Andocken sich nur an der Zelloberfläche befindet, oder es auch im Blut umherschwimmt, so der Referent. «Wenn weniger von dem löslichen Protein vorliegt, findet eine stärkere Bindung statt an die membrangebundenen Eiweisse, und damit eine stärkere Infektion von Zellen. Liegt umgekehrt mehr von dem löslichen Protein vor, werden Viren abgefangen und damit ist die Zellinfektion geringer», fasst Prof. Laudes die Hypothese zusammen, wie lösliche Enzyme auf die Infektionsfähigkeit des Virus Einfluss nehmen. In einer im Dezember 2020 publizierten Studie konnte nachgewiesen werden, dass wegen einer COVID-19-Erkrankung hospitalisierte Diabetespatienten, welche neben Insulin zusätzlich den DPP-4-Hemmer Sitagliptin erhielten (n=169), einen besseren Verlauf aufwiesen als diejenigen, welche lediglich mit Insulin behandelt worden waren (n=169) [4]. So war in der Sitagliptin-Gruppe zum Beispiel die Mortalitätsrate signifikant geringer und die Zeitspanne bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus war kürzer. Die Erklärung dazu: Patienten, die mit einem schweren COVID-Verlauf auf der Intensivstation liegen, haben weniger von dem löslichen DPP-4. Wenn man DPP-4-Inhibitoren gibt, bilde der Körper als Reaktion mehr von dem löslichen DPP-4, wodurch mehr Virus abgefangen werden könne, erklärt Prof. Laudes. Es gibt weitere Studien dazu, in welchen auch untersucht wird, wie die Wirkung von DPP-4-Hemmern bei Nicht-Diabetikern den Verlauf einer COVID-19 Erkrankung beeinflussen. Bisher liegen noch keine abschliessenden Resultate dazu vor.

Typ-1-Diabetes: verspätete Diagnosestellung während Lockdown

Bei der diabetischen Ketoazidose handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Notfall bei Manifestation eines Diabetes mellitus Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen, der häufig assoziiert ist mit verspäteter Diagnosestellung oder vorheriger Fehldiagnose. Eine Auswertung der Daten von 532 Patienten aus 216 Diabeteszentren in Deutschland zeigt, dass sich in der Zeit des COVID-19-Lockdowns signifikant mehr Fälle diabetischer Ketoazidose im Rahmen von Diabetes mellitus Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen ereignet haben [5]. Zu den Hauptrisikofaktoren zählten Alter <6 Jahre, Migrationshintergrund und verzögerte Vorstellung in der Klinik oder Praxis. Eine Erklärung dafür ist, dass man aus Angst vor Ansteckungsgefahr, die Notaufnahme erst spät aufsucht und sich dann bereits Ketoazidosen gebildet haben.

Quelle: Diabetologie grenzenlos 2021

Literatur:

  1. Laudes M: SARS-CoV-2, COVID-19, Adipositas und Diabetes. Prof. Dr.med. Matthias Laudes, Diabetologie grenzenlos, Pressekonferenz, 26.02.2021.
  2. Hoffmann M, et al.: SARS-CoV-2 Cell entry depends on ACE2 and TMPRSS2 and is blocked by a clinically proven protease inhibitor. Cell 2020; 181: 271–280.
  3. International Diabetes Federation 2020, https://idf.org (letzter Abruf 04.03.2021)
  4. Solerte SB, et al. Sitagliptin Treatment at the Time of Hospitalization Was Associated With Reduced Mortality in Patients With Type 2 Diabetes and COVID-19: A Multicenter, Case-Control, Retrospective, Observational Study. Diabetes Care 2020 Sep; dc201521. https://doi.org/10.2337/dc20-1521
  5. Mönkemöller K, et al.: Kann die Ketoacidose bei pädiatrischen Patienten mit Manifestation eines Diabetes mellitus Typ 1 vermieden werden? Lehren aus der COVID-19-Pandemie. Monatsschr Kinderheilkd 2021, https://doi.org/10.1007/s00112-020-01108-2
  6. Lopes RD, et al. Continuing versus suspending angiotensin-converting enzyme inhibitors and angiotensin receptor blockers: Impact on adverse outcomes in hospitalized patients with severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV-2)-The BRACE CORONA Trial. Am Heart J 2020; 226: 49–59.

HAUSARZT PRAXIS 2021; 16(3): 4–5 (veröffentlicht am 10.3.21, ahead of print)

Mirjam Peter, M.Sc.

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