Was sollte bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen unter einer immunmodulierenden oder immunsupprimierenden Therapie beachtet werden? Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) hat dazu praxisnahe Empfehlungen veröffentlicht.

(red) Die Stellungnahme von Dr. med. Ralph von Kiedrowski, BVDD-Vorstandsmitglied, sollen als Orientierung dienen hinsichtlich Impfungen gegen SARS-CoV-2 bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen wie atopischer Dermatitis oder Psoriasis unter systemischer Therapie. Im Folgenden ein Auszug der in der diesjährigen Januar-Ausgabe der Fachzeitschrift Der Deutsche Dermatologe erschienenen Experteneinschätzung:   

Im Rahmen von umfangreichen Zulassungsstudien der in Deutschland bis dato  (Stand der Information 16.02.2021) zugelassenen Impfstoff-Kandidaten von Biontech/Pfizer (Comirnaty, BNT162b2), Moderna (mRNA-1273) und AstraZeneca (AZD1222) wurde zwar bereits eine grosse Anzahl an Personen geimpft, aber es liegen noch keine Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Personen mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen respektive Patienten unter immunmodulierender/immunsuppressiver Therapie vor.

Es gelten die bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisse: Totimpfstoffe sind für Patienten mit chronisch-entzündlichen Dermatosen und unter immunmodulierender/immunsuppressiver Therapie uneingeschränkt geeignet und einsetzbar. Klassische Totimpfstoffe sind Vakzine auf der Grundlage adjuvantierter Proteine. Auch Impfstoffe, die auf nicht replizierbaren Vektoren (Astra-Zeneca) basieren sowie auf auf der mRNA-Technologie (Biontech/Pfizer, Moderna) beruhende Vakzine sind als Totimpfstoffe anzusehen und sollten deshalb für die Patientenpopulation in dermatologischen Praxen keine Gefahr darstellen.

Ein mRNA-Impfstoff stellt keine Lebendimpfung dar. Es handelt sich auch nicht um eine «Gentherapie». Eine mRNA beeinflusst oder verändert nicht die menschliche DNA, sondern liefert nur eine Art Bauanleitung für Virusbestandteile (Oberflächenproteine, z.B. Spike-Protein). Der geimpfte Mensch kann so vorübergehend selbst Virusproteinbestandteile produzieren gegen die das eigene Immunsystem dann schützende Antikörper bilden kann. Somit stellt ein mRNA-Impfstoff wie andere Totimpfstoffe keine Kontraindikation für Patienten unter einer immunmodulierenden/immunsuppressiven Therapie dar. 

Ein Vektor-Impfstoff, bei dem für Menschen nicht pathogene und nicht vermehrungsfähige Affen-Adenoviren das Spike-Protein an der Oberfläche exprimieren und so dem Immunsystem zugänglich machen, stellt ebenfalls keinen Lebendimpfstoff dar. Theoretisch können beim Vektor-Impfstoff aber bei der zweiten Dosis Immunreaktionen (als Nebenwirkung) gegen das Trägervirus auftreten oder die Impfreaktion  vermindert werden. Diese potenzielle Immunogenität stellt den wesentlichsten Unterschied zu den mRNA-Varianten dar.

Praxis-BeispieleFür Methotrexat (MTX) empfiehlt Dr. von Kiedrowski, dass zwei Wochen nach der letzten MTX-Applikation die erste Coronaimpfung und drei Wochen später die zweite erfolgt und nach zwei (oder vier) weiteren Wochen dann die MTX-Therapie fortgeführt wird. MTX wird also sieben- bis neunmal ausgesetzt.Biologikapatienten mit einem vierwöchigen Applikationsintervall können ihre erste Coronaimpfung zwei Wochen nach der letzten Biologikumgabe erhalten, drei Wochen später dann die zweite und weitere zwei bis vier Wochen später erfolgt dann die Fortsetzung der Therapie. Die impfbedingte Therapieunterbrechung beträgt letztlich drei bis fünf Wochen. Für Biologika wie Ustekinumab, Risankizumab oder Tildrakizumab mit einem Zwölfwochenintervall kann sechs Wochen nach der letzten Therapieinjektion mit der Coronaimpfung begonnen, weitere drei Wochen später würde dann die zweite Schutzimpfung gegeben werden. Am Injektionsintervall des Biologikums (zwölf Wochen) ändert sich dadurch nichts (zwei Wochen Sicherheitsabstand) oder die Gabe wird um eine Woche nach hinten verschoben (vier Wochen Abstand).In Anbetracht der zum Teil langanhaltenden Wirksamkeit der verschiedenen Substanzen sei nur selten mit einer Verschlechterung der Grunderkrankung zu rechnen, so Dr. von Kiedrowski.

Aus grundsätzlichen Erwägungen sollte die Immunsuppression für eine ausreichende Impfantwort so gering wie möglich sein. Immunsuppressive Wirkstoffe spielen bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen eine untergeordnete Rolle (orale Glukokortikosteroide, bedingt Ciclosporin A, langwirksame B-Zell-depletierende Substanzen). Immunmodulierende Wirkstoffe haben nach derzeitigem Kenntnisstand keine Beeinträchtigung der Impfantwort zur Folge, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden kann, eine bestehende immunmodulierende/immunsuppressive Therapie wegen einer – bezüglich SARS-CoV-2 derzeit auch noch nicht allgemein verfügbaren – Impfung zu verändern.

Ganz allgemein sollte beachtet werden: Unter einer laufenden Therapie gilt als Empfehlung, die Impfung in der Mitte eines Behandlungsintervalls zu verabreichen und die Therapie frühestens nach zwei, besser erst nach vier Wochen fortzusetzen (Kasten). Spezielle Empfehlungen für Therapien, die wöchentlich oder gar (mehrfach) täglich appliziert werden müssen, existieren nicht. «Meine persönliche Empfehlung lautet hier, je nach Krankheitsaktivität die Zeiträume nach Impfung auch vor der Impfung gelten zu lassen, also für zwei bis vier Wochen vor der Impfung die Einnahme zu pausieren.», so Dr. med. Ralph von Kiedrowski.

Quelle: von Kiedrowski R: Corona-Impfstoffe geeignet bei immunmodulierender Therapie. BVDD-Empfehlungen zur Impfung gegen SARS-CoV-2. Der Deutsche Dermatologe, 1. Januar 2021, 69(1): 16–17.

DERMATOLOGIE PRAXIS 2021; 31(1): 4 (veröffentlicht am 25.2.21, ahead of print)

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